Schwerpunkt: Soziale und medizinische Infrastruktur

Annetta Ristow

Nach wie vor steht die Stadt vor der Aufgabe angesichts der demographischen Entwicklung angemessene Versorgungsstrukturen für unsere auch immer älter werdende Gesellschaft zu schaffen.

Im Rat hat die LINKE mehrfach die Mangelversorgung in den Gesundheitsdiensten in Kerpen thematisiert und Vorschläge zur Verbesserung gemacht. Insbesondere auf unser Engagement hin kam es zu einer breiten Diskussion zum akuten Hausärzt*innen- und Hebammenmangel in Kerpen. Erfolgreich waren wir mit unserem Antrag, ein aufsuchendes Beratungsprogramm in Kerpen für Menschen ab dem 80. Lebensjahr aufzulegen. Ziel sollte u.a. sein, die bei den präventiven Hausbesuchen möglichen Hinweise auf die Lebenssituation der Betroffenen zu einer Verbesserung der hausärztlichen bzw. geriatrischen Versorgung zu nutzen. Ebenfalls erfolgreich war unser Einsatz zu verhindern, aufgrund der Zwänge der Haushaltskonsolidierung das bestehende Beratungsangebot zur Verbesserung der Lage von Pflegebedürftigen qualitativ und quantitativ einzuschränken.

Wir wollen uns als LINKE in Kerpen weiterhin für eine Verbesserung der sozialen und medizinischen Infrastruktur in Kerpen einsetzen.

(1) In Kerpen sind Schwangere, die eine Hausgeburt wünschen, auf Betreuung durch Hebammen und Entbindungshelfer aus Köln und Frechen angewiesen. Ein Geburtshaus gibt es nur in Köln. Alternativen zur Klinikgeburt gibt es also in Kerpen nicht. In Bergheim ist die Krankenhaus-Entbindungsstation geschlossen worden. Werdende Mütter sind also gezwungen auf die weit entfernten Geburtsstationen in Düren und Köln, evtl. Brühl und Frechen auszuweichen.

Die zwei Hebammenpraxen in Türnich und in Horrem können nur einen Bruchteil der Frauen und Neugeborenen in Kerpen betreuen. Selbst wenn die Leistungen von nebenberuflich tätigen Hebammen einbezogen werden, bleibt nach Einschätzung etwa der Hebammenzentrale Köln oder des Präventionsteams Frühe Hilfen in Kerpen trotzdem eine Mangelversorgung bestehen. Die Vor- und Nachsorge von Gebärenden ist also auch in Kerpen nicht gesichert.

Der Grund ist u.a., dass die niedrigen Honorare für Leistungen von Hebammen sowie die massiv gestiegenen Berufshaftpflichtprämien viele Hebammen und Entbindungspfleger zur Berufsaufgabe gezwungen haben bzw. zwingen. Eine Versorgung mit Hebammenleistungen ist also nur noch eingeschränkt und keinesfalls flächendeckend gewährleistet. Dabei leistet eine Hebamme nicht nur eine medizinisch, sondern auch psychosozial notwendige Betreuung für Mutter und Neugeborene. Trotzdem steigt andererseits der Bedarf: Die Geburtenzahlen in Kerpen sind mittlerweile nicht mehr rückläufig.

Gerade einer Stadt, die familienfreundlich aufgestellt sein möchte und weiterhin Neubaugebiete für junge Familien ausweist, kann dieser Mangel an Infrastruktur nicht gleichgültig bleiben. Denn die Versorgung mit Hebammenleistungen gehört zur Grundversorgung der Bevölkerung wie die Versorgung mit Hausärtz*innen.

Daher fordern wir: wohnortnahe Geburtsstationen, Geburtshäuser und genügend Hebammen. In Stadtteilen Kerpens, in denen keine Hebammenpraxis präsent ist, stellt die Stadt Räumlichkeiten zur Verfügung, um freiberuflich tätigen Hebammen es zu erleichtern, Kurse und Beratungen sichtbar und ortsnah anbieten zu können.

(2) Ebenso verschärft sich der Mangel an Hausärzt*innen dramatisch. Es scheiden dauerhaft altersbedingt mehr Hausärzt*innen aus, als junge nachrücken könnten. Seitens Kerpen wurde schon in 2008 die disproportionale Ärzteverteilung in Rhein-Erft mit Nachteilen für die Versorgung in Kerpen bemängelt. Aktuell weist Kerpen seit 2017 eine Unterversorgung auf.

Um Abhilfe beim drohenden Ärztemangel zu schaffen, hat die Fraktion die Möglichkeit aufgezeigt, ein Medizinisches Versorgungszentrum in Eigenregie in Anlehnung an das Büsumer Modell zu entwickeln. Unser Antrag wurde von der konservativen Ratsmehrheit leider abgelehnt.

Wir fordern als LINKE. Kerpen daher weiterhin: Die Stadt trägt dafür Sorge, dass es in allen Stadtteilen genügend Haus- und Kinderärzt*innen gibt, etwa durch Gründung eines Medizinischen Versorgungszentrums.

(3) Seit dem Hitzesommer 2003 ist bekannt, dass die durchschnittliche Jahrestemperatur weiter ansteigen wird und es zukünftig vermehrt zu längeren sommerlichen Hitzewellen kommt. Nicht nur die Belastung durch Hitze nimmt zu, auch durch Ozon oder vermehrte UV-Strahlung. Dies führt zu einer Zunahme an Gefahren für die die Gesundheit z.B. hinsichtlich Hautkrebs bzw. an hitzebedingten Todesfällen in der Bevölkerung auch hier in Kerpen. Betroffen sind vor allem Senior*innen, Pflegebedürftige, Übergewichtige, chronisch Kranke wie z.B. Asthmatiker*innen, Säuglinge, Kleinkinder und Menschen, die obdachlos sind, im Freien arbeiten müssen oder sich wegen Freizeitaktivitäten Hitze besonders aussetzen. Dies wiederum verursacht für die Allgemeinheit hohe Kosten für das Gesundheitswesen. Der stetig wachsende Anteil älterer Menschen in der Bevölkerung Kerpens zeigt außerdem die Gesundheitsrelevanz von Hitzewellen für die Zukunft.

Wir fordern daher als LINKE:In Kerpen wird ein Hitzeaktionsplan entwickelt. Einzubeziehen sind u.E. neben den städtischen Behörden und dem Gesundheitsamt des Kreises u.a. die örtlichen Hausärzt*innen, Apotheker*innen, Pflegeeinrichtungen, die zuständigen Kranken- und Pflegeklassen, Feuerwehr, Not- und Rettungsdienste, Schulen und Kindergärten oder Gaststätten bzw. Hotels oder sozialen Netzwerke. Auch die Stadtwerke Kerpen sowie die Klimaschutzbeauftragte sollen mit einbezogen werden.

(4) Jeder Mensch hat ein Anrecht würdevoll sterben zu können, gut versorgt und ohne Schmerzen. Die Zunahme an prekären Lebenssituationen wie Altersarmut, soziale Isolation, familiäre Konflikte oder Traumatisierungen etwa von Menschen mit Fluchterfahrung, fortschreitende Erkrankungen im Alter wie Demenz, aber auch die Komplexität des Gesundheitssystems oder der Beratungsbedarf hinsichtlich sozialrechtlicher oder finanzieller Fragen führt zu Überforderung von Menschen in der letzten Lebensphase und ihren Angehörigen. Aufgrund der Überalterung Kerpens stehen wir hier vor Herausforderungen, um allen Menschen ein würdevolles Sterben ermöglichen zu können. In Kerpen gibt es einen ambulant arbeitenden Hospizverein mit ehrenamtlich tätigen Begleiter*innen. Wir setzen uns dafür ein, deren Arbeit in der Hospiz- und Palliativversorgung aktiv seitens der Kommune zu unterstützen: (a) Notwendig ist dazu zunächst Öffentlichkeitsarbeit, um die vorherrschende Meinung in vielen Familien „Wir brauchen keine Unterstützung“ abzubauen, denn die Versorgung wird von den Angehörigen oft zu spät eingeschaltet. (b) Zum anderen muss die Kooperation des Hospizvereins mit anderen Institutionen ausgebaut werden.

DIE LINKE. Kerpen fordert daher:Um angesichts der demographischen Entwicklung angemessene Versorgungsstrukturen für eine immer älter werdende Gesellschaft zu schaffen ist die bestehende Hospiz- und Palliativversorgung in Kerpen zunächst durch verstärkte Öffentlichkeits- und Netzwerkarbeit weiter auszubauen und seitens der Kommune zu stärken.

(5) Für die Kerpener LINKE bleibt es Ziel, sich dafür einzusetzen, ein selbstbestimmtes Leben im Alter für alle in Kerpen zu ermöglichen und den Eintritt von Pflegebedürftigkeit zu verhindern bzw. hinauszuzögern. Dazu braucht es eine entsprechende Infrastruktur vor Ort, damit jederzeit für alle Situationen eine gute Versorgung für Hilfe- und Pflegebedürftige bis hin zu einer immer noch fehlenden stationären Hospiz-Einrichtung wohnortnah verfügbar ist. Dies kann aber, wie nun auch die Corona-Pandemie  deutlich werden lässt, nicht dem Markt überlassen werden. Wie der aktuelle Pflegebericht zeigt, gibt es erhebliche Defizite vor allem im Bereich des vorstationären und teilstationären Pflegeangebots in den Stadtteilen. Die Ausdifferenzierung der Wohnformen für alte Menschen ist nach wie vor unterkomplex. Es fehlt an Pflegefachkräften und Hausärzten.

Die Stadt steht hier zwar nur in der Planungsverantwortung, aber nicht ganz ohne Instrumente da. Im „Konzept für das Leben in Kerpen für Menschen in der zweiten Lebenshälfte“ der Stadt aus 2010 wird das bundesweit erfolgreiche Bielefelder Modell von Wohnanlagen als Vorbild für ein erfolgreiches Quartiersmanagement auch für Kerpen zur Umsetzung empfohlen. Es soll in erster Linie Senior*innen und jüngeren Menschen mit Behinderung selbstbestimmtes Wohnen in Wohnanlagen in ihrem gewohnten Stadtteil in vertrauter Umgebung ermöglichen. Wesentlicher Bestandteil ist eine Pflegestation, die eine 24-stündige medizinische und pflegerische Versorgung sicherstellt, ohne dass eine Betreuungspauschale anfiele. Außerdem ein professionell geführtes Quartierscafé als Treffpunkt/Sozialstation für die Mieter*innen der Anlage und die Nachbarschaft aller Altersstufen im Wohnumfeld. Dies soll dann zur Akquise und als Kristallisationspunkt für ehrenamtliches Engagement im gesamten Stadtteil dienen. Vergeben werden solche Wohnungen an Menschen mit geringem Einkommen. Die Wohnanlagen werden von städtischen Baugesellschaften erstellt. Kerpen hatte damals wohl in 2010 einen Besuch in Bielefeld organisiert. Eine Umsetzung erfolgte bislang nicht. Warum nicht? In Bielefeld selbst wird gerade das 17. Projekt realisiert!

DIE LINKE. Kerpen fordert weiterhin:Um eine mehrgenerationengerechte Quartiersentwicklung in Kerpen endlich anzugehen wird ein Projekt etwa in Form des Bielefelder Modells umgehend in einem Kerpener Stadtteil beispielhaft umgesetzt.

DIE LINKE. Kerpen setzt sich dafür ein: Alle Kerpener Stadtteile werden langfristig nach dem Vorbild des Bielefelder Modells mit einem Treffpunkt für alle Bürger*innen ausgestattet.

(6) Um das soziale Miteinander und die zivilgesellschaftlichen Strukturen zu fördern, ist es aus unserer Sicht nicht nur erforderlich in allen vier Hauptzentren unserer ländlichen Kommune jeweils Gemeinschaftseinrichtungen für Bürger*innen aller Generationen für Gruppen und Vereine zu schaffen, die es ermöglichen, soziale und kulturelle Veranstaltungen durchzuführen. Wichtig ist für uns damit auch die Versorgung von Bedürftigen mit kostengünstiger und gesundheitsfördernder Essensverpflegung zu ermöglichen. Als Vorbild dient uns ein städtische Bürgerzentrum in Köln und der damit verbundene Integrationsbetrieb, in dem Menschen mit und ohne Beeinträchtigung und Langzeitarbeitslose beschäftigt werden für die Herstellung und Auslieferung von Gemeinschaftsverpflegung für Kölner Schulen und Kindertagesstätten sowie eben dem Bistro im Bürgerzentrum selbst.

DIE LINKE. Kerpen setzt sich dafür ein: Um eine preisgünstige Essensverpflegung aus regionalen frischen, möglichst ökologisch nachhaltig angebauten Lebensmitteln für Bedürftige in den einzurichtenden Bürgerzentren sicherzustellen und auch für die Kerpener Schulen und Kindertagesstätten zu gewährleisten, beteiligt sich die Stadt aktiv an der Gründung und Finanzierung eines Integrationsbetriebs zur Herstellung von Gemeinschaftsverpflegung.

(7) DIE LINKE. Kerpen setzt sich dafür ein Um die Familien finanziell zu entlasten, setzt sich DIE LINKE. Kerpen für die Abschaffung der Elternbeiträge für die Ü-3-Betreuung in den Kindertagesstätten ein.