VIO.ME vor Entscheidung: Fortbestehen durch Zwangsversteigerung bedroht! Solidaritätserklärung unterzeichnen!

 

Der in Eigenregie und Selbstverwaltung produ- zierende Betrieb VIO.ME, seit dem letzten Jahr als Sozialkooperative anerkannt, ist erneut in akuter Gefahr. Seit dem 29. Mai ist ein Konkursverwalter durch Gerichtsentscheid berechtigt, im Auftrag der Eigentümerfamilie alle beweglichen Vermögens- gegenstände auf dem Betriebsgelände zu erfassen und unmittelbar an beliebige Interessenten zu veräußern. Er hat Zugriff auf sämtliche beweglichen Güter, auf den Maschinenpark und Werkzeuge, auf Rohstoffe und Produkte, auf die den Arbeitern gespendeten Fahrzeuge, aber auch auf Einrichtungen und Geräte der Zweigstelle der Sozialklinik, die sich im Betrieb befindet, ebenso auf das Lager mit Hilfsgütern für Flüchtlinge.  Mit dem Einsatz von Polizeigewalt ist zu rechnen.

VIO.ME ist immer noch der einzige Betrieb in Griechenland, den die Arbeiter nach der Flucht der Eigentümerfamilie besetzt und inzwischen seit 4 ½ Jahren in Arbeiterselbstverwaltung fortgeführt haben. Wichtig für das Fortbestehen des Projekts war und ist die Unterstützung in der griechischen Bevölkerung, in Thessaloniki und darüberhinaus, aber auch die vielfältige internationale Solidarität. Das GSKK  hat seit 2012 Kontakt mit den VIO.ME-Kollegen und hat die politische und materielle Unterstützung in Deutschland mitorganisiert.

Wir rufen nun auf zur Solidarität mit der Erklärung der VIO.ME-Kollegen und zum Einstehen für ihre Forderungen, damit sie sich in der jetzigen bedrohlichen Situation auf die internationale Solidarität stützen und Druck auf die Parlamentsfraktion von Syriza und die Regierung ausüben können.

„Wir, die ArbeiterInnen von VIO.ME, betreiben die besetzte Fabrik seit viereinhalb Jahren und kämpfen schon seit sechs Jahren, doch das juristische System Griechenlands richtet immer noch heftige Angriffe gegen uns.Unser Versuch, den Betrieb der Fabrik fortzusetzen, ist abgelehnt worden, und ein entsetzlicher Gesellschaftskonkurs ist in Kraft getreten. Nun sollen die Produktionsmittel einer Zwangsversteigerung unterzogen werden. Die Produktionsmittel, durch deren Gebrauch dutzende Familien seit viereinhalb Jahren ein Einkommen bekommen. Die Verantwortung tragen die „ehrbaren“ Richter, deren einziges Ziel ist, das zu zerstören, was wir, die ArbeiterInnen von VIO.ME, mit so viel Mühe in Gang gesetzt haben. Sie tun das, damit keine andere aufgegebene Fabrik in die Hände der ArbeiterInnen gelangen kann.  Deshalb klagen wir das juristische System und den für die Abwicklung der Fabrik bestellten Liquidator an. Sie wollen uns den Weg versperren, weil wir eine besetzte Fabrik ohne Chef betreiben.Wir laden euch ArbeiterInnen, Mitglieder einer Gewerkschaft, Zusam-menschlüsse ein, uns zu unterstützen, damit wir alle zusammen zeigen, dass wenn sie nicht können, dann können wir.Wir brauchen eure praktische Unterstützung, um die Fabrik am Leben zu halten und unsere Familien vor Armut und Angst zu schützen. Wir brauchen Solidaritätserklärungen, um unsere Kraft zu beweisen: die Kraft der Solidarität, die stärker ist als jegliche Unterdrückung vom Kapital, stärker als jeglicher Zusammenbruch des kapitalistischen Wirtschaftssystem.Kämpferisch und in Solidarität

Die ArbeiterInnen von VIO.ME“

Zur Unterschrift geht es hier!

Autor: Monika, Griechenland Solidarität Komitee Köln (vgl. http://gskk.eu/?p=3496 )

Besuch der Flüchtlingsnotunterkunft Diavata bei Thessaloniki – 14. Juni 2016

Anlässlich eines Besuchs der Flüchtlingsnotunterkunft im Vorort Diavata in Thessaloniki am 14. Juni 2016 konnte sich die Kerpener Initiative ein Bild von der Situation der bislang in Idomeni wartenden Flüchtlinge machen. Wenige Wochen zuvor wurden fast 4000 Menschen von Idomeni hierin gebracht. Das Lager ist eigentlich für 2500 Personen ausgelegt und nun hoffnungslos überfüllt. Auffällig viele Mütter mit ihren Kindern sind unter ihnen. Danach befragt gaben sie häufig an, dass der Vater bzw. Ehemann schon in Schweden oder Deutschland sei. Die Zelte zeigen, die Unterkünfte sind nicht winterfest. Die Menschen müssen draußen auf Feuerstellen kochen, es fehlt an ausreichend vielen Waschgelegenheiten und Toiletten. Auf Nachfrage erfahren wir: Es gibt keine Schulklassen für die vielen Kinder, keine Sprachkurse für Erwachsene. Alle  hoffen auf die Weiterreise zu ihren Familienangehörigen in Deutschland oder Schweden, um der aussichtslosen Situation in Griechenland entkommen zu können. Denn die Aussichtslosigkeit und die Ungewissheit, wie es weitergeht, ist für die Menschen hier das Schlimmste an ihrer Situation. In Griechenland selbst gibt es keine Perspektive. Hier herrscht eine exorbitante Arbeitslosigkeit. Die nordeuropäischen Staaten in der EU bleiben also gefragt, vor allem, was den raschen Familiennachzug angeht, wenn es um das Leben dieser Menschen geht. – Griechenland kann das nicht leisten.

Die Fraktion der LINKEN in Kerpen hat  einen Antrag im Rat eingebracht, als Vorbild auch für andere Kommunen, einen Bus zu chartern und Menschen wie diese in der Flüchtlingsnotunterkunft in Thessaloniki nach Kerpen zu holen. Denn bei uns stehen die beschafften Containeranlagen leer. Und selbst in Manheim alt gibt es noch genügend Platz für Menschen, die wegen Hunger, Verfolgung und Krieg geflohen sind und nun in Griechenland keinerlei Perspektive besitzen. Dazu fiel der Verwaltung und der konservativen Ratsmehrheit nichts Besseres ein, als diesen Plan als „strafbare Schleusertätigkeit“ zu werten.

Man kann sich nur wundern, wie schnell die anfängliche überschwengliche Willkommenskultur (refugees are welcome) in gnadenlose Ablehnung umschwenken kann.

Bitte, unterstützt uns, in dieser Sache doch noch ein Umdenken zu erreichen!

Text / Fotos: Thomas Ristow

Besuch von VIO.ME in Thessaloniki – Anfang Juni 2016

Am Rand von Thessaloniki, im Süden in der Nähe des Flughafens, liegt – gut verschlossen - die von ihren Arbeiter*innen besetzte Fabrik Vio.Me. Früher wurden hier mit giftigen Chemikalien Baustoffe produziert – bis die Eigen-tümerfamilie den Betrieb aufgab und die Belegschaft die Betriebsstätte in Selbstverwaltung übernahm.  Seit drei Jahren stellen die 20 Mitglieder der Vio.Me-Genossenschaft mit natürlichen Substanzen Reinigungsmittel, wie die Vio-Me-Seife, her. Die Produkte werden selbst vermarktet. Die Einnahmen reichen für einen Verdienst von 15 € je Arbeiter*in am Tag. In Griechenland ist dies seit 2008 ein Durchschnittsverdienst im unteren Lohnsektor.

Die Selbstverwaltung ist basisdemokratisch organisiert: Alle betrieblichen Entscheidungen werden auf Betriebsversammlungen beschlossen. Außerdem: Alle erhalten den gleichen Lohn – und es gibt keine Vorgesetzten.

Die Kooperative unterstützt auch andere Projekte: Seit kurzem ist auch die in Thessaloniki ansässige Sozialklinik auf dem Gelände untergebracht. Sie hat hier einen Untersuchungsraum mit Labor für all die Menschen, die nicht krankenversichert sind. Und das sind in Griechenland diejenigen, die eben keine Erwerbsarbeit mehr finden können. Außerdem werden Kleidung und Nahrungsmittel für die Flüchtlingshilfe auf dem Gelände gelagert. Vio.Me unterstützt auch die Menschen auf Chalkidiki in ihrem Kampf gegen die dort betriebenen umweltzerstörerischen Goldminen.

Zur Zeit bemüht sich die Belegschaft von Vio.Me um eine Ausweitung ihrer Produktion. So wird auch ein Kleintransporter benötigt, um den Verkauf zu verbessern.
Gelebte Wirtschaftsdemokratie, die Entwicklung von ersten Schritten auf dem Weg zu einer Strategie der Selbstorganisation auch gegen widerstrebende Interessen von Staat und Kapital – das muss keine Utopie bleiben, auch wenn sie wie hier aus der Not geboren wurde. Damit dies auch weiterhin möglich  bleibt, unterstützt seit Januar 2015 auch die Kerpener Griechenland-Solidaritätsinitiative die Vio.Me-Kolleg*innen in ihrem Überlebenskampf – mit der monatlichen Abnahme von Seifen aus ihrer Produktion und, anlässlich eines Besuchs der Kooperative im Juni 2016, mit einem finanziellen Beitrag für Investitionen wie den Erwerb eines Transporters.

Text / Fotos: Thomas Ristow

Reisebericht Thessaloniki 28. August – 2. September 2015

Gemeinsam mit Annetta Ristow und Barbara Siebert reiste ich Ende August 2015 für ein paar Tage nach Thessaloniki.

Meine zweite Griechenlandreise in diesem Jahr stand unter gänzlich anderen Vorzeichen als die erste Reise direkt vor den Wahlen im Januar.

War die Stimmung im Januar geprägt von einer (vorsichtigen) Hoffnung auf eine positive Veränderung für die Mehrheit der Menschen und die Möglichkeit, sich aus dem Troika-Diktat zu befreien, so habe ich diesmal vor allen Dingen eine tiefe Verunsicherung bis hin zu Resignation wahrgenommen.

Syriza wurde im Januar noch als Hoffnungsträgerin gesehen – jetzt nach der Akzeptanz des dritten Memorandums durch die Syriza/Anel-Regierung (entgegen des Ergebnisses des Referendums d.h. des überwältigenden OXI!) bleibt vielerorts als einziger Unterschied zu den anderen Parteien die nichtvorhandene Korruption/Selbstbereicherung von Syriza übrig.

Die Spaltung Syrizas wurde entsprechend mit gemischten Gefühlen gesehen.

In allen Diskussionen kam das Thema sehr schnell von der konkreten Situation in Griechenland zur momentanen Verfasstheit der EU und der besonderen Rolle Deutschlands vor allem in Bezug auf die Troika-Politik.

Das zweite bestimmende Thema war natürlich die Flüchtlingskrise und hier besonders die Situation in Idomeni, dem Grenzort zu Mazedonien (Fyrom).

Aber der Reihe nach:

1. Vio-me

 

Direkt nach unserer Ankunft am Flughafen Thessaloniki besuchten wir Vio.me, die Fabrik, die seit Jahren von den Arbeitern besetzt ist und die in Eigenregie Seifen und Reinigungsmittel aus natürlichen Substanzen in eigener Regie produzieren. Hier wurde eine Spende der Kerpener Solidaritätsinitiative für Griechenland von Barbara in Höhe von 3500 € übergeben.

www.viome.org/p/deutsch.html

Meine Gefühle waren etwas gemischt, weil einige Tage zuvor ein dringender Aufruf von Vio.me ausgegangen war, sich zur Verteidigung der Besetzung bereit zu halten.

www.labournet.de/internationales/griechenland/arbeitskaempfe-griechenland/metalleutiki/

Meine Sorge hat sich aber schnell als unbegründet heraus gestellt. Zwar wollte die Staatsanwaltschaft sich Zugang zur Fabrik verschaffen, aber sie wurden einfach nicht reingelassen und sind anscheinend ohne großes Aufheben wieder gegangen.

Das Bild zeigt ein Trockengestell für Seifen

Insofern konnten wir ein relativ entspanntes Gespräch mit den einzigen beiden Frauen im Kollektiv (die für die Buchhaltung zuständig sind) führen.

Natürlich kamen wir sehr schnell auf die Situation von Syriza zu sprechen – eine Frau ist Mitglied bei Syriza, die andere lockere Sympathisantin.

Da die Besetzung der Fabrik aber schon lange vor dem Wahlsieg von Syriza im Januar 2015 begann und die Entwicklung bei Vio.me insgesamt weitgehend unabhängig von der jeweiligen Regierung stattfindet, hatte die Situation von Syriza eher persönliche Bedeutung (bei der Genossin von Syriza) bzw wurde eher in Bezug auf die gesamtgesellschaftliche Situation gesehen.

Während die eine Kollegin eine prinzipiell skeptische Haltung gegenüber Parteien äußerte und dementsprechend auch nicht wirklich enttäuscht über die Entwicklung

war, konnte ich bei der anderen eine starke Verunsicherung wahrnehmen, gepaart mit dem Festhalten an der Loyalität zu Tsipras und Syriza.

Die Spaltung, die ja noch ganz frisch war, sahen beide mit Skepsis, aber es gab zu diesem Zeitpunkt nur ganz wenig konkrete Informationen über die neugegründete „Volkseinheit“, der große Teile der Linken Plattform von Syriza jetzt angehören.

Die Arbeiter, die in der Produktion tätig sind, wirkten gänzlich unbeeindruckt von der aktuellen politischen Entwicklung, sie arbeiteten weiter und die Transparente, die überall in der Produktionshalle hängen, sind genauso kämpferisch wie die, die ich auch im Januar gesehen habe.

Sinngemäß: „Krieg dem Krieg der Bosse“

Besonders deutlich wird die Haltung der Belegschaft in einem zweiseitigen Anschreiben, das der aktuellen Preisliste (die noch nicht auf Deutsch im Netz ist) vorgeschaltet ist. Ein Auszug:

„Unsere zentrale Forderung ist: „Die Fabrik und aller sozialer Reichtum wird von denen verwaltet, die produzieren.“

Wir bleiben strikt auf dem Weg unserer Vorschläge und Aktionen, den kollektiv getroffenen Entscheidungen verpflichtet, gemeinsam mit jenen in der Gesellschaft, die unseren Kampf begleiten. Unser Banner ist die absolute Freiheit. Wir warten nicht auf bessere Tage, die sie uns versprochen haben. Stattdessen haben wir entschieden, die besseren Tage selbst zu organisieren. Nicht nur für uns selbst, auch als Vorschlag an die Gesellschaft, die von der Krise zerstört wird. […]

Wir bleiben bei unserem Kampf für ein Recht auf Arbeit und ein Recht auf Würde! Die Produkte, die von den Arbeitern der Fabrik hergestellt wurden, tragen eine Botschaft: die Botschaft einer radikal veränderten Lebensweise, einer anderen Arbeitsorganisation und einer veränderten Beziehung zur Umwelt.“

2.ERT 3

 

Am zweiten Tag besuchten wir ERT3, den Fernseh- und Radiosender in Thessaloniki, der nach der unangekündigten Abschaltung durch die Regierung Samaras genau 24 Monate besetzt war und inzwischen wieder ein staatlicher Sender ist.

In einem Beitrag des Deutschlandfunks vom Juli diesen Jahres wird viel Richtiges gesagt: www.deutschlandfunk.de/griechische-medien-ert-3-sendet-wieder.761.de.html

Die beschriebene Stimmung, dass „die Mitarbeiter des Senders nur eines wollen: Die Syriza-Regierung im Kampf gegen Brüssel unterstützen.“ kann ich allerdings so nicht bestätigen. Unmut über die schlechtere Bezahlung (als vor der Besetzung) und die Direktiven „von oben“ bezüglich des Sendeinhaltes gepaart mit Enttäuschung und Verunsicherung darüber, wie es in Griechenland insgesamt weitergeht, prägten für mich das Bild. Wir sprachen mit einer Archivarin und einem Techniker, die beide zu den BesetzerInnen gehörten. Unabhängig von der Situation im Sender waren beide sehr besorgt über eine steigende Entpolitisierung der Jugend, die sie auch an ihren eigenen Kindern wahrnahmen. Das ginge soweit, dass die Kinder sich über das politische Engagement der Eltern lustig machten – insbesondere nach der Zustimmung bzw. Unterwerfung der Syriza-Regierung zu/unter das dritte Memorandum. Beide äußerten die Sorge, dass die Jugendlichen möglicher Weise ganz nach rechts gehen würden (Unterstützung der faschistischen Goldenen Morgenröte).

Mein Eindruck war, dass am Beispiel von ERT 3 deutlich zu erkennen ist, wie alternative Strukturen, die sich im Laufe der Besetzung heraus gebildet hatten, wieder „eingehegt“ werden – sowohl was das Betriebsklima als auch was die Sendeinhalte angeht.

Es ist sicher grundsätzlich sehr schwierig, wenn eine Belegschaft sich aus etwa 15% BesetzerInnen und 85% Zurückgekommenen (Zitat: “auch einige Rechte“) zusammensetzt.

Wenn dazu - wie es der Fall ist - keinerlei Betriebsversammlungen mehr stattfinden, d.h. kollektive Entscheidungsprozesse und die Möglichkeit, die oben beschriebene Situation zu problematisieren nicht mehr existieren, kann kein gutes Betriebsklima entstehen.

Noch im Januar wurde sehr viel über Protestbewegungen und Widerstand (zum Beispiel von Vio.me oder dem Kampf der Putzfrauen) berichtet – das findet anscheinend kaum noch statt.

Beide Prozesse in der Kombination führen zu einem „klassischen“ staatlichen Fernsehen und verringern die Chance, Medien im Sinne von wirklicher Aufklärung und Information einzusetzen.

3.Solidarische Klinik

 

„Die „Klinik der Solidarität“ im nordgriechischen Thessaloniki wurde im Herbst 2011 von engagierten KollegInnen aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich gegründet. Die Ambulanz befindet sich in den Räumlichkeiten des Gewerkschaftsdachverbandes GSEE und wird von den behandelnden ÄrztInnen, KrankenpflegerInnen und TherapeutInnen selbstverwaltet geführt. Bis zu 100 PatientInnen nehmen täglich die Leistungen der Ambulanz (Allgemeinmedizin, Innere Medizin, HNO-Heilkunde, Dermatologie, Zahnmedizin, Orthopädie, Kinder- und Jugendheilkunde, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie) in Anspruch.“

Aus: www.klinik-der-solidaritaet.at/2015/07/16/zur-aktuelle-lage-im-griechischen-gesundheitssystem/

praxis.medscapemedizin.de/artikelansicht/4903839

Das komplette Engagement ist ehrenamtlich, d.h. Ärztinnen und Ärzte arbeiten neben ihrem eigentlichen Job in der Solidarischen Klinik, viele Unterstützerinnen sind entweder in Rente oder erwerbslos.

Hier haben wir Spenden übergeben – einen Betrag, der von Lisa-Frauen gesammelt wurde und zu dem die deutsche Delegation im Europaparlament über ihren Spendenverein einen Teil beigetragen hat, sowie durch Barbara eine Spende der Kerpener Griechenland-Initiative des SV DIE LINKE. Kerpen. Die Spenden kamen sehr gelegen, da gerade ein neuer Zahnarztstuhl angeschafft werden musste, da der alte kaputtgegangen war.

Zusätzlich zu den oben genannten medizinischen Angeboten gibt es eine Art Apotheke, die kostenlos Medikamente an die PatientInnen ausgibt.

Die Aussage der anwesenden Ehrenamtlichen war, dass sie Syriza wieder wählen würden – wenn auch mit Bauchschmerzen – weil sie Angst haben, dass ihnen unter einer anderen Regierung die Räumlichkeiten weggenommen werden könnten und damit das ganze Projekt kaputt gemacht werden würde.

4. Cleaning-Ladies

 

An unserem letzten Tag treffen wir Sebasti und Vaso, zwei der Cleaning-Ladies, die mit über 500 Kolleginnen erfolgreich für ihre Wiedereinstellungen gekämpft haben.

Hier ein ätzender Kommentar zur Wiedereinstellung der Kolleginnen aus der FAZ:

www.faz.net/aktuell/wirtschaft/eurokrise/griechenland/statt-um-reformen-kuemmert-sich-athen-um-die-alte-klientel-13592339.html

Vaso und Sebasti – zwei der über 500 Cleaning-Ladies, die erfolgreich für ihre Wiedereinstellung gekämpft haben

Sebasti und Vaso erzählen, dass es weiterhin kollektive Entscheidungsprozesse bei ihnen gibt – sie führen die Versammlungen, die mit ihrem Widerstand begonnen haben, fort und diskutieren gemeinsam anstehende wichtige Entscheidungen. Auf einer solchen Versammlung haben sie auch verabredet, dieses Mal noch einmal Syriza zu wählen. Trotz der Enttäuschung über die Unterzeichnung des dritten Memorandums durch die Syriza-Regierung, gegen das sie sich unmissverständlich ausgesprochen haben:

Erklärung der Putzfrauen des griechischen Finanzministeriums: Die Putzfrauen fordern die Abgeordneten von SYRIZA auf, gegen das neue Memorandum zu stimmen. Wir haben nicht 22 Monate gekämpft, damit uns ein neues Memorandum aufgezwungen wird! Wir, die kämpfenden Putzfrauen des Finanzministeriums, möchten öffentlich unseren Widerspruch kundtun gegen die Politik der Memoranden, die nun von der SYRIZA-Regierung umgesetzt wird. (…) Wir fordern die Abgeordneten von SYRIZA auf – die wir gewählt haben, damit sie die Politik der Memoranden und Entlassungen beenden – gegen das neue Memorandum der Regierung und der Troika zu stimmen, damit sie danach den Menschen in die Augen schauen können.” aus: griechenlandsoli.com/2015/07/28/erklaerung-der-putzfrauen-des-griechischen-finanzministeriums/

Sie berichten auch, dass ihre Bezahlung jetzt schlechter ist, als vor der Entlassung. Dagegen wollen sie sich wehren – aber erst nach den Wahlen.

Die wichtigste Schlussfolgerung, die sie ziehen: „Jetzt muss die Linke in Europa kämpfen – wir haben gelernt, dass wir das nicht alleine schaffen.“

Weitere Hintergrundinformationen finden sich hier:

www.labournet.de/internationales/griechenland/arbeitskaempfe-griechenland/595-rebellische-wehren-sich-erst-gegen-ihre-kundigung-und-nun-gegen-die-ganze-regierung/

 

5. Idomeni

 

An zwei Tagen besuchten wir die Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien (Fyrom) bei dem kleinen Dorf Idomeni, um uns die Situation der Geflüchteten anzuschauen und um zu sehen, wie wir helfen können.

Ich bin überzeugt, dass alleine das Vorhandensein von „ZeugInnen“, d.h. Von Menschen, die das Geschehen beobachten und gegebenenfalls dokumentieren können, schon einen gewissen Schutz (und auch Trost) für die Geflüchteten bedeutet.

Während wir dort waren, kam es an keinem der beiden Tage zu irgendwelchen Zwischenfällen. Sowohl die Polizei auf griechischer Seite, wie auch die Soldaten auf der mazedonischen Seite wirkten (bis auf eine Ausnahme) relativ entspannt und bemühten sich, den Grenzübergang möglichst unspektakulär und einigermaßen geordnet durchzuführen.

Trotzdem hatten wir merkwürdige Assoziationen, als wir sahen, wie Gruppen von 50 Personen zusammengestellt wurden, die in Zweierreihen sich Richtung Grenze bewegten.

Die „Grenze“ besteht in diesem Fall aus einer etwa 1,50 Meter breiten Öffnung zwischen Nato-Draht und befindet sich direkt neben der Bahnstrecke. Die eigentliche Grenze befindet sich wenige Kilometer entfernt an der Autobahn.

So wird der Reiseverkehr der TouristInnen nicht gestört und das Geschehen findet weitgehend unsichtbar statt.

Diese Ruhe stellte allerdings eine Ausnahme dar – inzwischen gibt es genug Bilder und Filme im Netz, die u.a. prügelnde mazedonische Soldaten an genau dieser Stelle zeigen.

Auffällig war die Zusammensetzung der Geflüchteten: fast ausschließlich (geschätzt über 80 %) junge Männer und nur wenige Frauen, meist mit kleinen Kindern (das jüngste 10 Tage alt) oder Familienangehörigen.

Der Weg der Geflüchteten führte über griechische Inseln, von dort mit Fähren, die ebenso wie die Busse zumindest zum Teil von der griechischen Regierung organisiert und finanziert wurden, nach Athen und von dort mit Bussen über Thessaloniki nach Idomeni.

An der Grenze gab es keinen ausreichenden Schatten, so dass zeitweise mehrere tausend Menschen in der Sonne und im Staub ausharren mussten, bis „ihre“ Gruppe an der Reihe war, die Grenze zu passieren.

Inzwischen ist nicht die Sonne, sondern Regen und Schlamm und die sich weiter verschärfende Situation in Europa das Problem für die geflüchteten Menschen.

Vor Ort waren während unserer Anwesenheit nur wenige VertreterInnen der UNHCR (UNO-Flüchtlingshilfe) und wenige Ärzte und medizinische HelferInnen des griechischen Roten Kreuzes, die sich mit den „Ärzten ohne Grenzen“ abwechselten, im Einsatz.

Ohne die vielen ehrenamtlichen Helfenden, die Wasser und Essen verteilten, wäre eine Betreuung, die auch nur einigermaßen den Begriff verdienen würde, nicht möglich gewesen.

Am meisten hat mich beeindruckt, wie ausnahmslos alle Menschen in den Läden, in denen wir Wasser, Lebensmittel, Kindernahrung, Monatsbinden und Medikamente kauften, uns etwas dazu schenkten und sich bedankten dafür, dass wir an die Grenze, die nur etwa 60 km von Thessaloniki entfernt ist, fuhren.

Ich hoffe, dass in Griechenland nicht die Resignation (oder noch schlimmer eine Orientierung nach rechts) gewinnen wird, sondern der Kampfgeist, den Vaso zum Ausdruck brachte:

„Jetzt muss die Linke in Europa kämpfen – wir haben gelernt, dass wir das nicht alleine schaffen.“

Autor: Sylvia Gabelmann