Antrag zur Sitzung des Rates am 24.04.2018: Das Büsumer Modell – Gründung eines kommunalen Medizinischen Versorgungszentrums in Kerpen

Annetta Ristow (DIE LINKE)

Als Ratsmitglied für DIE LINKE. Kerpen beantrage ich:

  • Die Verwaltung prüft die Möglichkeit der Gründung eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) in Kerpen in Eigenregie zur Beseitigung des bestehenden Ärztemangels.
  • Insbesondere sind die Vor- und Nachteile der möglichen Rechtsformen einer Personengesellschaft, einer eingetragenen Genossenschaft, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder in einer öffentlich rechtlichen Rechtsform zu prüfen und zu bewerten.1

Begründung: Der Mangel an Hausärzt*innen in NRW verschärft sich dramatisch. Es scheiden dauerhaft altersbedingt mehr Hausärzt*innen aus, als junge nachrücken könnten: "Im Februar hat das Gesundheitsministeriums NRW zum Hausärztemangel in NRW dargestellt, dass im Herbst 2017 bereits 574 Hausarztsitze in NRW komplett unbesetzt waren. Ursache hierfür sei, dass sich die Zahl der Hausärzte, die aus dem Berufsleben ausscheiden, seit 2006 um fast 80 Prozent auf 457 erhöht habe und die Zahl der neu zugelassenen Hausärzte nicht einmal halb so hoch sei. Je nach Region in NRW falle die Situation unterschiedlich dramatisch aus. In der Ärzteregion Nordrhein sind demnach etwa 40 Prozent der 6261 Hausärzte über 60 und über 12 Prozent sogar über 65 Jahre alt."2

Seitens Kerpen wurde schon in 2008 die disproportionale Ärzteverteilung in Rhein-Erft mit Nachteilen für die Versorgung in Kerpen bemängelt.3 Aktuell weist Kerpen seit 2017 eine Unterversorgung auf: Derzeit sind 6 Vertragsärzt*innensitze frei, wohingegen Frechen oder Erftstadt keine Unterversorgung aufweisen.4

Die Landesregierung hat beim Hausarzt-Aktionsprogramm mit attraktiven Niederlassungskonditionen in unterversorgten Regionen nachgebessert. Nur Kerpen hilft das nicht, denn das Förderprogramm wird auf kleine Kommunen mit bis zu 25.000 bzw. besonders gefährdete mit bis zu maximal 40.000 Einwohner*innen eingeschränkt sein.5 Außerdem soll eine „Landärzt*innenquote“ Medizinstudent*innen dazu verlocken, sich in der rheinischen Provinz niederzulassen. Kerpen hilft das ebenso wenig, den derzeitigen Engpass jetzt bzw. auf absehbare Zeit zu beseitigen.

Die Stadt hat aber aufgrund des GKV-Versorgungsstärkungsgesetz seit 2015 die Möglichkeit, selbst und in Eigenregie Medizinische Versorgungszentren zu gründen, und kann so ihrer Rolle als Akteurin für die gesundheitliche Versorgung ihrer Bevölkerung gerecht werden und selbst handeln, um die ärztliche Versorgunglage positiv zu beeinflussen und eine angemessene ärztliche Versorgung weiterhin zu gewährleisten. So heißt es im 7. Altenbericht:6 "21. Der Aufbau von Hausarztzentren oder lokalen Gesundheitszentren mit integrierten Versorgungskonzepten ist zu fördern. Dazu sind Modelle der Delegation, der Substitution und der Telemedizin weiterzuentwickeln. Das bestehende Gesundheitssystem mit der allgemein- und fachärztlich ambulanten Versorgung auf der einen Seite und mit der Krankenhausversorgung auf der anderen Seite ist der demografischen Entwicklung nicht angemessen. Das Gesundheitssystem muss mit dem Ziel verstärkter Kooperationen weiterentwickelt werden, unter Einbeziehung der Kommunen. In diesem Zusammenhang werden Medizinische Versorgungszentren (MVZ) als ein erfolgsversprechendes Modell angesehen (gestaffelte ambulante und stationäre ärztliche Tätigkeit eines Arztes, neue Arbeitszeitmodelle, andere Vertragsgestaltung und Kooperationen). Ab dem 1. Juli 2015 dürfen Kommunen MVZ gründen und betreiben. Damit ist eine neue regionale Verantwortung der kommunalen Gemeinschaft verbunden, die schrittweise ausgebaut werden kann. Die Erreichbarkeit der Gesundheitsangebote ist in die Versorgungsplanung (ÖPNV) einzubeziehen."

Ein entsprechendes Modellprojekt für junge Ärzt*innen wurde z.B. in der schleswig-holsteinischen Kommune Büsum in Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Vereinigung und der Ärztegenossenschaft mit Erfolg aufgelegt.7 In Berlin ist die Einrichtung kommunaler MVZs ebenfalls in der Diskussion, um Unterversorgung in den Stadtbezirken besser handhaben zu können. So kann gerade jungen Ärzt*innen im kommunalen MVZ die gewünschte stärkere interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Kolleg*innen, eine flexiblere und familienfreundliche Arbeitszeitgestaltung sowie ein Start ohne hohe Investitionen geboten werden, sodass es auch für junge Mediziner*innen attraktiv sein kann, nach Kerpen zu kommen.

 


1 Vgl. § 95 Absatz 1a SGB V

Guido van den Berg, 23.03.2018, Ärztemangel, Newsletter

Vgl. Drs. 407/08

Beschluss des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen aus Dezember 2017 sowie: Übersicht der haus-und fachärztlichen Versorgung in Nordrhein, Stand 29.09.2017, siehe hierzu: Ralph Jansen, 01.12.2017, Kassenpatienten auf der Suche: In der Kerpener Innenstadt werden die Hausärzte knapp, Rhein-Erft Rundschau

Vgl. Mitteilungen StGB NRW 52/2018

Drs. 18/10210, S. 289

Vgl. Ärztezeitung, 21.03.2016, Das kommunale Ärztehaus als Mustervorlage