Antrag der Fraktion DIE LINKE zur Sitzung des Sozialausschusses am 26.11.2014: Energiearmut

Annetta Ristow

In Deutschland gab es 2013 etwa 39,9 Millionen Privathaushalte. Davon waren laut aktuellen Daten der Bundesnetzagentur von Stromsperren betroffen in 2013 rund 345.000. Das sind demnach circa 0,009 % aller Haushalte. In Kerpen gab es 2013 knapp 30.000 Haushalte, demnach kann davon ausgegangen werden, dass in unserer Kommune ungefähr 270 Privathaushalte von Stromsperren betroffen waren. Genauere Zahlen sind sicher über die lokalen Stromanbieter abfragbar. Festzustellen ist, dass sich die Zahl der von Stromsperren betroffenen Privathaushalte Jahr für Jahr kontinuierlich erhöht. Im Vergleich zu 2011 waren  in 2013 bundesweit circa 33.000 Privathaushalte mehr von Stromsperren betroffen. (siehe Stefan Schultz, 2014, Rund 345.000 Haushalten wurde der Strom gesperrt, Spiegel online).

Die Anzahl der von Stromsperren bedrohten Haushalte (Mahnverfahren wegen Nicht-Zahlung der Stromrechnung über längere Zeit), in 2013 etwa 7 Millionen, hat sich ebenfalls im Vergleich zu 2011 bundesweit um circa 1 Million Haushalte erhöht. Runtergebrochen auf Kerpener Verhältnisse: Zu erwarten ist, dass nahezu 18 % unserer Haushalte in Kerpen, also circa 5400 Haushalte, von Stromsperren in 2013 bedroht waren.

Als Hauptgrund für diese Entwicklung werden die stark steigenden Strompreise angeführt, die sich seit 2002 für die Endverbraucher nahezu verdoppelt haben, u.a. auch wegen der Umlage für erneuerbare Energie, die für Privathaushalte einen Kostenblock von mehr als ein Fünftel der Stromkosten ausmacht (vgl. BDEW. Strompreisanalyse, siehe unten: Welt-Artikel). Über die Hälfte der Stromkosten der Privathaushalte sind also staatlich verursacht.

„Darauf wies im Sommer der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) mit einer Strompreisanalyse hin. Untersucht wurden Grundversorgungstarife und weitere gängige Tarifprodukte für Haushaltskunden. Ein durchschnittlicher Haushalt mit 3500 Kilowattstunden Verbrauch zahlt rund 85 Euro im Monat für Strom, heißt es in der Analyse: Davon entfallen allein knapp 45 Euro auf staatliche Steuern und Abgaben." (aus: Die Welt, 345.000 Haushalten wurde 2913 der Strom gesperrt, 22.11.2014)

Fazit: Die Energiepolitik der Bundesregierung hat jahrelang die Endverbraucher zugunsten der großen Konzerne und ihrer Interessen einseitig belastet und treffen tut dies natürlich vornehmlich diejenigen unter uns, die eben nicht ihr Vermögen in Yachten, Privatjets oder die teuersten Saphire dieser Welt anlegen können: nämlich Menschen, die auf Grundsicherung angewiesen sind (siehe: Gute Zeiten für Wohlhabende, Kölner Stadtanzeiger 20.11.2014).

Die Linksfraktion Kerpen beantragt daher, bis bundesweit grundsätzlich neue Standards zum Thema Energiearmut gesetzt wurden, Mittel und Wege zu finden angesichts der offensichtlichen Dringlichkeit des Phänomens der Energiearmut auch in Kerpen, das in Köln-Meschenich durchgeführte Stromzähler-Modell alternativ bzw. in Ergänzung zu den vom Jobcenter Rhein-Erft vorgesehenen Maßnahmen auch in Kerpen zu erproben:

In Meschenich wurden an der Fuhr 1-3 Stromzähler eingebaut, die technisch so aufgebaut sind, dass Stromsperren vermieden werden können. Diese 660 Stromzähler können bei Nichtbegleichung einer Rechnung so angesteuert werden, dass die Leistung der Stromzufuhr erheblich gemindert wird. Bei herkömmlichen Stromzählern ist dies nicht machbar. Sinn und Zweck ist, dass die Menschen weder im Dunkeln sitzen müssen, noch Angst haben müssen nicht kochen oder waschen zu können. Auf Grund der Drosselung der Stromzufuhr ist lediglich ein paralleles Nutzen mehrerer Geräte nicht mehr möglich.  

In ganz Deutschland ist es wohl das erste Projekt dieser Art, um Stromsperren bei von Armut betroffenen Familien zu vermeiden. So wird niemand im Dunkeln sitzen gelassen, was würdelos wäre. Auf der anderen Seite haben die Betroffenen nun genug Zeit zu reagieren und sich helfen zu lassen, wenn sie ihre Rechnungen nicht begleichen können. Dies ist ein wichtiger und richtiger erster Schritt.

Ein geeigneter Standort sollte mithilfe des Jobcenters Kerpen in Kenntnis der Standorte der von Stromsperren betroffenen Kerpener Haushalte von Menschen, die als Arbeitssuchende berechtigt sind, Grundsicherung zu beziehen, ermittelt werden können.

Die Linksfraktion bittet um Behandlung in der nächsten Sitzung des Sozialausschusses am 26.11.2014.

Linksfraktion Kerpen