Antrag der Fraktion DIE LINKE: Antisemitismus konsequent entgegentreten

Jan Schiffer

Europaweit erlebt der Antisemitismus derzeit einen Aufschwung. Angriffe auf Jüdinnen und Juden mehren sich, sodass sich immer mehr sogar zur Auswanderung nach Israel gezwungen fühlen. Auch Kerpen fiel in diesem Kontext auf: Die laut Verfassungsschutz rechtsextreme Kleinpartei DIE RECHTE[1] plakatierte aus Anlass der Europawahl in Kerpen und anderen Städten des Rhein-Erft-Kreises massiv Plakate, die Freiheit für die verurteilte Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck fordern oder in Anlehnung an den Untertitel des „Stürmers“ („Die Juden sind unser Unglück“) den Schriftzug „Israel ist unser Unglück“ tragen. Aus gutem Grund erstattete die Jüdische Gemeinde Westfalen-Lippe Anzeige gegen DIE RECHTE.[2] Solche antisemitischen Positionen sind inakzeptabel und die deutliche Anlehnung an den Nationalsozialismus ist schockierend.

Doch neben klassischem rechtsextremen Antisemitismus rücken deutschlandweit auch immer weiter andere Formen des Antisemitismus in den Fokus, und es ist zu befürchten, dass Kerpen in Zukunft auch mit solchen Formen konfrontiert werden wird. Hier ist es notwendig, bereits präventiv eine klare Beschlusslage zu schaffen.

Die Linksfraktion beantragt:

Der Stadtrat Kerpen beschließt aus diesem Anlass:

Das Gedenken an den Holocaust und die Solidarität mit jüdischem Leben stellen Grundwerte Kerpens dar. Die Inhalte der Partei DIE RECHTE widersprechen dem Grundverständnis der Stadt Kerpen zutiefst.

Die Verwaltung der Stadt Kerpen wird aufgefordert, (ggf. erneut) sämtliche Möglichkeiten zu prüfen, in Zukunft auf antisemitische Aktionen wie die oben genannten Wahlkampfplakate zu reagieren. Dabei soll auch der Austausch mit anderen Kommunen gesucht werden, die vom Wahlkampf der Partei DIE RECHTE betroffen waren.

Grundlage der Arbeit der Stadt Kerpen gegen Antisemitismus ist die Antisemitismusdefinition der Internationalen Allianz für Holocaustgedenken (International Holocaust Remembrance Alliance – IHRA), der sich auch die Bundesregierung angeschlossen hat: „Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen. Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein.“[3]

Der Stadtrat Kerpen verurteilt dabei konkret auch die „Boycott-Divestment-Sanctions (BDS)“-Kampagne und schließt sich der Einschätzung des deutschen Bundestags,[4] des nordrhein-westfälischen Landtags[5] und des Antisemitismusbeauftragen der Bundesregierung[6] an, dass es sich bei dieser um eine antisemitische Bewegung handelt. Die Stadt Kerpen wird sicherstellen, dass Akteure, die antisemitische Kampagnen wie die BDS-Bewegung unterstützen, keine finanzielle, strukturelle oder anderweitige Unterstützung durch die Stadt Kerpen erfahren.

Die Stadt Kerpen wird prüfen, wie sie schulische und außerschulische Bildungsarbeit gegen Antisemitismus in Zukunft stärker fördern kann.

Die Verwaltung der Stadt Kerpen und der Bürgermeister werden aufgefordert, in den verstärkten Dialog mit zivilgesellschaftlichen Akteuren zu treten, die sich gegen rechtsextreme und antisemitische Ideologie engagieren.

Der Stadtrat Kerpen ruft die Kerpener Zivilgesellschaft dazu auf, sich mit dem Problem Antisemitismus verstärkt auseinanderzusetzen und sich klar gegen jeden Antisemitismus zu stellen.

Begründung: Kerpen stand in jüngster Zeit, wie im Antragstext ausgeführt, im Zentrum einer für alle Beobachter eindeutig antisemitischen Kampagne. Da DIE RECHTE jedoch versucht, mit ihrer Hetze immer noch knapp im rechtlich zulässigem Bereich zu bleiben, ist es notwendig, auf der einen Seite erneut zu prüfen, ob nicht dennoch rechtlich möglich ist, die Arbeit der RECHTEN in Kerpen in Zukunft zu beeinträchtigen, und auf der anderen Seite klarzumachen, dass die Positionen der RECHTEN auch unabhängig von einer rechtlichen Prüfung den Werten der Stadt Kerpen widersprechen. So würde die Stadt Kerpen auch angemessen auf die Kritik seitens der jüdischen „WerteInitiative e.V.“ reagieren.[7]

Gleichzeitig sollte dieser Vorfall auch als Anlass genommen werden, das Engagement der Stadt Kerpen gegen Antisemitismus insgesamt zu erweitern:

Der Landtag Nordrhein-Westfalens hat nordrhein-westfälischen Städte und Gemeinden explizit dazu aufgerufen, gegen Antisemitismus und dabei auch gegen die BDS-Kampagne Stellung zu beziehen, da diese auch in NRW in letzter Zeit auf sich Aufmerksam machte.[8] Auch vom Bundestag gab es jüngst einen dementsprechenden fraktionsübergreifenden Beschluss. Mit Beschluss des vorliegenden Antrags würde man dieser parteienübergreifend beschlossenen Aufforderung nachkommen und damit bereits präventiv Maßnahmen gegen diese Kampagne beschlossen haben, bevor diese in Kerpen Fuß fassen kann. Damit würde sich Kerpen auch diversen Städten anschließen, die einen solchen Beschluss schon gefasst haben, u.a. Köln,[9] Berlin,[10] Frankfurt[11] und Mannheim[12] und sich an der Einschätzung zahlreicher namhafter Forscher wie bspw. Professor Samuel Salzborn orientieren[13]

Neben solchen Maßnahmen gegen konkrete antisemitische Akteure ist es jedoch notwendig, die Bildungsarbeit und das zivilgesellschaftliche Engagement gegen Antisemitismus zu stärken.

Durch die Annahme dieses Antrags werden diese Punkte in Angriff genommen. Klar ist dabei aber auch, dass es nicht bei der Beschlussfassung aufhören darf, sondern weitergehendes Engagement notwendig ist.

 


[1]www.verfassungsschutz.de/de/arbeitsfelder/af-rechtsextremismus/zahlen-und-fakten-rechtsextremismus/rechtsextremistische-parteien-2017/die-rechte-2017

[2]www.welt.de/regionales/nrw/article193115557/Juedische-Gemeinden-zeigen-Die-Rechte-wegen-Volksverhetzung-an.html

[3]www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/themen/kulturdialog/-/216610

[4]dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/004/1900444.pdf

[5]www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-3577.pdf

[6]www.welt.de/debatte/kommentare/article180793618/Antisemitismus-in-Deutschland-Israel-Boykotteure-unter-dem-Deckmantel-der-Kunstfreiheit.html

[7]werteinitiative.de/offener-brief-wahlplakate/

[8]www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-3577.pdf

[9]ratsinformation.stadt-koeln.de/vo0051.asp

[10]www.parlament-berlin.de/ados/18/IIIPlen/vorgang/d18-1061.pdf

[11]www.frankfurt.de/sixcms/detail.php

[12]buergerinfo.mannheim.de/buergerinfo/getfile.asp

[13]http://www.salzborn.de/txt/2013_Kirche-und-Israel.pdf