Für eine starke kommunale Daseinsvorsorge in Kerpen und ein Ende der Kommerzialisierung kommunaler Betriebe und Aufgaben - gegen die Tendenzen zu einer postdemokratischen Leere auch in unserer Kommune

Thomas Ristow

Anlässlich von Terminen wie dem 26. März werden gerne die positiven Errungenschaften der europäischen Integration wie dieses Jahr auch in unserer Werbepost gefeiert: Die EU als emanzipatorisches Projekt zur Überwindung nationaler Egoismen im Europa nach dem Großen Krieg – hier das Schengener Abkommen vom 26. März 1995, das mit Inkrafttreten zur Abschaffung der stationären Grenzkontrollen an den Binnengrenzen der EU führte. Und in der Tat ist der Austausch zwischen den Menschen in den EU-Mitgliedsstaaten, zwischen den Organisationen der Zivilgesellschaft oder der kulturellen und wissenschaftlichen Institutionen begrüßenswert befördert worden. Manch einer denkt und fühlt (und isst und trinkt nicht nur) sogar europäisch. Und wir hier in Kerpen erinnern uns beim Stichwort EU vielleicht auch an den "grünen“ Bahnhof Horrem", der mit rund 900.000 € von der EU gefördert wird. Ist also Europa tatsächlich für die Menschen da – und nicht umgekehrt?

Wir finden als LINKE in Kerpen: Es stimmt so einfach nicht, dass wir als Bürger und Bürgerinnen hier der Meinung sein können, dass Europa für die Menschen da ist und nicht umgekehrt. Und es bestätigt sich für uns in Kerpen so einfach ebenfalls nicht, dass wir den Eindruck haben können, dass seitens der EU gewünscht sei, starke Gemeinden sollen das Fundament eines „Hauses Europa“ sein. Denn für die Menschen in der Kommune ist es nicht in erster Linie wichtig, dass die europäische Integration daran erkennbar voranschreitet, dass nun die Schlagbäume im Urlaubsverkehr abgeschafft sind und Aldi und Ikea auch in Griechenland Filialen betreiben oder nun in Horrem ein „grüner“ Bahnhof steht. Wir meinen: In erster Linie wichtig ist für die Menschen, inwieweit eine öffentliche, sozial orientierte, kostengünstig betriebene Daseinsvorsorge menschlicher Grundbedürfnisse weiterhin ein zentraler Bestandteil der kommunalen Selbstverwaltung, und zwar europaweit, ist oder nicht. Energie- und Wasserversorgung, Müll- und Abwasserentsorgung, Telekommunikation, Post, Rundfunk, Verkehr, Banken, soziale und kulturelle Dienste wie Bildung, Gesundheit, Altenpflege, Bibliotheken– all dies wurde aber und wird weiterhin im Zuge der Verwirklichung eines europäischen Binnenmarkts seit Ende der 1980er und verstärkt seit den 1990er Jahren EU-weit (a) direkt durch eine europäische Liberalisierungs- und Privatisierungspolitik sowie (b) indirekt durch die Schaffung von die Privatisierung begünstigenden Kontextbedingungen, nämlich die von der EU verordnete Austeritätspolitik und Politik der Finanzmarktintegration, mehr und mehr den Profitinteressen privater Unternehmen unterworfen bzw. nach deren Prinzipien betrieben - frei nach dem Grundsatz „Privat vor Staat“ bzw. „Privat kann das besser“. Dieser Prozess einer Demontage unserer von Generationen erkämpfter und geschaffener nationaler wohlfahrtsstaatlicher Errungenschaften, Einrichtungen und Vermögens durch eine EU-Politik, die die private Leistungserstellung elementarer Grundbedürfnisse einseitig bevorzugt, hat mittlerweile alle bedeutenden Infrastruktursektoren erfasst, wurde EU-weit auf nationaler Ebene umgesetzt und wird mit Nach“besserungen“ oder Erweiterungen und Anpassungen ständig weiter „perfektioniert“ – mit den bekannten Folgen des anhaltenden Verlusts von politischem Einfluss auf die Gestaltung der Leistungserstellung in der Daseinsvorsorge, einer schleichenden Entdemokratisierung, und des Standardabbaus.

In Kerpen sind seitens der LINKEN für diese Politik des "Privat vor Staat" exemplarisch als aktuelle Fälle zu nennen:

  • Die Kündigung der Mitgliedschaft beim kommunalen Musikschulzweckverband La Musica zum Jahresende 2016 aufgrund eines Beschlusses von CDU/FDP/GRÜNE/BBK-UWG vom 26. März 2013 gegen die Stimmen der SPD und der Bürgermeisterin. Begründung: 90.000 € Jahresbeitrag seien zu hoch; es müssten Kosten eingespart werden. Lösung: Preiswerter sollen die Leistungen zur Förderung des musikalischen Nachwuchses nun durch Kooperationen mit privaten Kerpener Musikschulen zu haben sein. Und La Musica kann sich diesem Wettbewerb am Markt stellen und für 2017 ein günstigeres Angebot abgeben. Ein für die Ratssitzung am 08. April 2014 nun vorgetragenes entsprechendes Sparkonzept von La Musica sieht jetzt die probaten neoliberalen Maßnahmen vor: Personaleinsparung (Wiederbesetzungssperre für eine freie Stelle) und Gebührenerhöhung. Wenn letztere noch stärker ausfallen könnte, als vorgeschlagen, nämlich für Erwachsene um 10 % statt um 6 % und in den Folgejahren regelmäßig um 2 % statt 1,5 %, könne seitens der Stadt die Widerrufung der Kündigung mitgetragen werden.
  • Die Chance, wegen der auslaufenden Konzession für das Strom- und Gasnetz in Kerpen in 2014 auf Antrag der GRÜNEN das Netz von der RWE als Stadt zu übernehmen, zu rekommunalisieren, wurde auf der Ratssitzung vom 17. Dezember 2013 vertan. Damit wurde auch die Chance vertan, dies als Ausgangspunkt für die Entwicklung eigenständiger Stadtwerke zu nutzen, was etwa auch Handlungsspielräume eröffnet hätte, um endlich die notwendigen Sozialtarife für den Strombezug von Haushalten mit geringem Einkommen zu ermöglichen und ein Moratorium für Stromsperren in Kerpen zu beschließen. In der Presse zur Ratssitzung vom 17. Dezember 2013 war auch von Befangenheit einiger Ratsmitglieder die Rede. DIE LINKE. Kerpen hat den Eindruck (Anm. 1): Das Kartell der großen Energiekonzerne – wie z.B. RWE – konzentriert zu große wirtschaftliche und auch politische Macht.
  • Die reine Managementgesellschaft REVG als Beispiel für die Auslagerung des Kerngeschäfts eines ÖPNV-Dienstleisters und die Folgen: (a) Konzentration auf die Imagepflege statt Erbringung der tatsächlichen Leistung: den Fahrverkehr, (b) damit eine nur noch diffuse Erreichbarkeit für die betroffenen Bürger*innen und Bürger auch in Kerpen des Unternehmens in seiner Verantwortung für die eigentlich zu erbringende Leistung.
  • Die kommunale Wohnungsbaugesellschaft Erftland mbH agiert nach marktwirtschaftlichen Prinzipien. Die Folge ist, dass sie derzeit nicht in der Lage ist aufgrund ihrer finanziellen Situation (Überschuldung aufgrund von Kapitalentnahme seitens der kommunalen Anteilseigner, die damit ihre Haushaltsdefizite minderten) und der Situation am Markt (es ist wegen aktuell niedriger Zinsen wenig attraktiv den Neubau von mit öffentlichen Mitteln geförderten Sozialwohnungen zu betreiben und lukrativer Wohnungen im mittleren und oberen Preissegment ohne Mietpreisbindung zu bauen), den dringend benötigten preisgebundenen, aber nicht gewinnträchtigen Wohnungsbau zu erstellen. Nach telefonischer Auskunft sei derzeit der Neubau von Sozialwohnungen angesichts der aktuellen Mietpreise ein Verlustgeschäft für die Erftland. DIE LINKE. Kerpen findet: Sozialer Wohnungsbau kann sowieso nicht kostendeckend betrieben werden und ist als elementare Daseinsvorsorge angesichts der existierenden Wohnungsnot auch in Kerpen für Alleinstehende und Familien mit Kindern etwa essentiell und damit nicht dem Profitstreben unterzuordnen.
  • Der landeseigene Wohnraumversorger LEG wurde in 2008 vom Land NRW durch die damalige CDU/FDP-Regierung an einen Private Equity Fond verkauft und firmiert inzwischen als LEG Immobilien AG. Die Folgen dieser Privatisierung öffentlichen Eigentums kann mit ihren bekannten Auswirkungen auch in Kerpen studiert werden. Die LEG-Wohnanlage in der Horremer Buchenhöhe 4 – 9a mit 140 Wohnungen ist Dauer-Gegenstand von Gremien im Kerpener Rat und der Presse, vgl. etwa Kölner Stadtanzeiger, Drogenhandel in der Tiefgarage, 22.02.2013 und Klagen über Staub und Müll, 21.08.2013: 92 % der ungefähr 1000 Bewohner*innen, unter ihnen ein Drittel Minderjährige, sind Empfänger von Hartz IV. Dies führt dazu, dass das Mittel „Mietminderung“, um einen säumigen Eigentümer zu bewegen, Minderleistungen oder Probleme, etwa unverschlossene und vermüllte Keller, Fehlen eines Hausmeisters, nicht funktionierender Fahrstuhl, defekte Heizungsanlage etc., zu beseitigen, grundsätzlich nicht greift. Denn die Mieten werden vom Jobcenter bezahlt. Und die Mieter hätten von der einbehaltenen Miete nichts.
    War es aber den Bürger*innen in Zeiten vor der Privatisierung möglich, Misstände bei der Leistungserbringung des Wohnraumversorgers direkt mit den kommunalen bzw. Landesbehörden zu diskutieren, ist es dies nun nach der Privatisierung nicht mehr. Nachträglich kann das Land NRW bei dem neuen Eigentümer für Fälle der Nichterbringung oder Minderlieferung von Leistung nichts mehr erwirken. Das die Mieten zahlende Job-Center Kerpen stellt einfach fest, dass es nicht Vertragspartner des neuen Eigentümers ist und damit nicht das Recht hat, Mängel in der erbrachten Dienstleistung mit Mietminderung zu quittieren. Auch die Stadt Kerpen verweist an den privaten Eigentümer. Der ist aber für die Bürger*innen nach der Privatisierung nun nicht mehr greifbar, etwa aufgrund ihrer Rechte als Staatsbürger*innen. Platt ausgedrückt: Die Eigentümer der LEG AG können für ein Missmanagement nicht bei den nächsten Landtagswahlen abgewählt werden. Fazit: Nicht nur Minderleistungen und Standardabbau sind die Folge des "Privat kann es besser als der Staat", sondern auch ein eklatanter Verlust von Demokratie in unserer Gesellschaft, hier vor allem für die Menschen, die auf Leistungen wie bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind. - PS: Die LEG AG vermeldet indessen für 2013 einen Gewinnsprung für 2013: Die Aktionäre sollen nun eine Dividende von 1,73 € erhalten.

Wie das letzte Beispiel zeigt führt die auch bei uns in Kerpen seit Jahren betriebene Kommerzialisierung der kommunalen Behörden und Einrichtungen durch Privatisierung, PPP-Geschäfte oder Auslagerungen von Leistungen bzw. die Konzentration auf "Kernkompetenzen" sowie das Betreiben von kommunalen Aktivitäten nach den Prinzipien der Marktlogik dazu, dass der Kommune die "Amtsgewalt" verloren geht, sich ihre Handlungs- und Gestaltungsspielräume einschränken und - vor allem - sich damit für das Verhältnis Kommune - Land - Bund eine fatale zentralistische Tendenz ergibt: Der neoliberale Wunschtraum vom schlanken Staat produziert ein Vakuum, aber nur an der kommunalen Basis, in Kerpen, und der mittleren Ebene, in Düsseldorf, nicht im Zentrum unseres Staats, in Berlin:

Wenn Regierungen immer mehr Bereiche privatisieren, führt das keineswegs zum Verschwinden der staatlichen Macht, von dem radikale Liberale oder Anarchisten immer geträumt haben, vielmehr konzentriert sich die Macht nun in der inneren Ellipse: einem kompakten Kern, dessen Mitglieder vorwiegend mit ebenbürtigen Eliten in der Wirtschaft Umgang pflegen. Dies spielt sich folgendermaßen ab: Behörden der unteren und mittleren Ebene - insbesondere die Kommunalverwaltungen - müssen ihre Aktivitäten gemäß dem Modell von Auftraggeber und Anbieter transformieren, das ihnen der Markt vorgibt. Die eigentliche Amtsgewalt wird ihnen dadurch entzogen und auf das Zentrum verlagert. Gleichzeitig privatisiert die Regierung selbst viele ihrer Aufgaben und übergibt sie an Berater und Dienstleister verschiedener Art. Es gibt jedoch einen irreduziblen politischen Kernbereich, der das Wesen nationaler, kapitalistisch verfaßter Demokratien ausmacht und nicht an private Firmen verscherbelt werden kann (...), dort konzentriert sich die ultimative Macht - und wenn es nur die über die Entscheidungen ist, ob und wie Aufgaben privatisiert oder an Unternehmen ausgelagert werden sollen.
Dieser Kernbereich wird immer kleiner, je weiter die Privatisierung voranschreitet, doch er kann nicht eleminiert werden, ohne dass die Begriffe Staat und Demokratie jede Beutung verlieren. Je mehr Aufgaben man privatisiert und je stärker sich der öffentliche Dienst - insbesondere auf kommunaler Ebene - der Marktlogik unterwerfen muss, desto größer ist die Notwendigkeit, eine zentralistische Demokratie nach jakobinischem Modell zu installieren, in dem es im Verhältnis von Regierung und Bürgern keine vermittelnden Ebenen des politischen Handelns gibt
. (Colin Crouch, 2008, Postdemokratie, Frankfurt/Main, Ss. 128f.)

Als "Totengräber" unserer föderalen Demokratie betätigen sich aus unserer Sicht also bürgerliche Parteien völlig unbeeindruckt von diesen Misständen weiter, wenn Wirtschaftlichkeit und Ausgabendisziplin in Verwaltung und Ratsarbeit noch immer ganz ungeniert beworben werden im Kerpener Wahlkampf und davon die Rede ist, dass "überflüssige" Ratsgremien abgeschafft werden sollen und stärkere Bürgerbeteiligung gefordert wird usw.

Für uns als LINKE ist ganz besonders verdächtig, wenn in diesem Kontext von "direkter Demokratie" die Rede ist. Denn die Gefahr postdemokratischer Verhältnisse ist nicht nur die Entwicklung unserer Demokratie zu einer neoliberalen Elitedemokratie, in der weite Teile unserer Bevölkerung gar nicht mehr als politische Subjekte wahrgenommen und angesprochen werden, sondern dass die damit verbundene Politikverdrossenheit, die zunehmende Wahlabstinenz der Menschen mit geringem Einkommen, die Passivbürgerschaft weiter Teile unserer Bevölkerung ein Vakuum schafft, das der Möglichkeit einer Entartung unserer politischen Verhältnisse durch reaktionäre Kräfte zu einem bonapartistischen Autoritarismus Tor und Tür öffnet. Der Ruf nach direkter Demokratie, Bürgerbeteiligung, Volksabstimmung oder einer Direktwahl des Staatspräsidenten ist dann oft genug als Mogelpackung zu bewerten, wenn damit eben nicht eine substantielle Verbesserung unserer Demokratie gemeint ist, nämlich die Emanzipation der Unterprivilegierten, der prekär Beschäftigten, der Erwerbslosen, die ihre Interessen auf dem Wege direkter demokratischer Strukturen wirksam und öffentlich selbst mitbestimmen können sollen (Anm. 2), sondern lediglich den Vertretern der herrschenden politischen und ökonomischen Eliten ohne die Vermittlung durch Parteien ein mehrheitliches Mandat zum Durchregieren verschaffen sollen.

DIE LINKE. Kerpen findet: Es könnte spannend sein in diesem Zusammenhang, etwa Pfarrer Meurers Aussage: "Wenn der öffentliche Raum nicht gepflegt wird, droht ihm die Verwahrlosung." (Anm. 3) oder auch, siehe unten, die Analyse und die daraus abgeleiteten Forderungen des Aufrufs von Blockupy 2014 zu diskutieren:

Democracy: für Demokratie von unten. In Zeiten der Krise, hören wir überall, gibt es keine Alternative zu den Kürzungsprogrammen. Die Menschen aber zahlen, leiden und sterben, während Banken und Unternehmen mit Milliardenpaketen gerettet werden. Schulden und Ausbeutung, Reichtum und Armut sind zwei Seiten der gleichen Medaille.
Das autoritäre Krisenprogramm der Troika geschieht nicht in unserem Namen! Unser Ziel ist nicht, das Kapital zu retten. Die Krise des Kapitalismus wird nicht durch noch mehr Kapitalismus gelöst. Er zerstört soziale Rechte und Sozialsysteme, verstärkt eine Umverteilung zum Wohle der Besitzenden und die Konkurrenz der Standorte. Der Kapitalismus selbst ist die Krise.
Verelendung ist nicht das Ergebnis von Erwerbslosigkeit oder falschen Entscheidungen unserer Regierungen. Verelendung und Armut sind das Ergebnis eines lang angelegten Versuchs, die Profitraten zu sanieren, der durch die Krisenpolitik verstärkt wurde und wird. Kapitalismus spaltet die Gesellschaften und zerstört unsere kreativen und produktiven Talente. Freiheit bedeutet für uns nicht die Wahl zwischen Erwerbslosigkeit oder Elend! Demokratie bedeutet für uns mehr als das Recht, bei Wahlen unser Kreuz zu machen. Kämpfen wir gemeinsam für unsere sozialen und ökonomischen Bedürfnisse! Stellen wir der Stellvertretungspolitik der Wenigen eine wirkliche Demokratie von unten entgegen.

Commons: Gemeingüter zurückholen und erkämpfen. Demokratie wird es nur geben, wenn wir uns zurückholen, was allen gehören soll und darüber gemeinsam entscheiden: den gesellschaftliche Reichtum – die Commons. Der Reichtum, den wir gemeinsam erarbeiten, wird enteignet. Die Ausbeutung des Reichtums unseres Planeten zerstört unsere Lebensgrundlage. Wir alle sehen täglich die Folgen der Klimaveränderung, der Zerstörung der Artenvielfalt, des Giftmülls und der Umweltverschmutzung. Die Grundlage unseres alltäglichen Lebens – selbst Gesundheit und Wohnraum werden dem freien Spiel des Marktes und seiner Brutalität überlassen. Hohe Mieten und Zwangsräumungen, Schließungen von Kultur- und Bildungseinrichtungen, Kliniksterben und medizinische Unterversorgung sind die Folgen. Doch längst wachsen Projekte von unten gegen den Ausverkauf von oben: Soziale Projekte, Fabrikbesetzungen und Gesundheitszentren sind der Beginn der Rückeroberung von Gemeingütern. Es ist an der Zeit, sich gegen Privateigentum und Profite zu organisieren und zurückzuholen, was uns gehört!

Fazit: DIE LINKE. Kerpen ist für einen grundlegenden Kurswechsel, bevor die Folgen des "Privat vor Staat" irreversibel werden, und tritt daher in Kerpen ein

  • für eine Ende der Kommerzialisierung öffentlicher Leistungen, keine weiteren Privatisierungen öffentlichen Eigentums, kommunaler Betriebe oder Aufgaben.
  • für eine Wiedereingliederung oder „Rekommunalisierung“ ausgegliederter Betriebe und Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge.
  • für den Ausbau eines kommunal getragenen öffentlichen Beschäftigungssektors, um auch langzeitarbeitslosen Bürgern*innen eine Perspektive in unbefristeten und tariflich abgesicherten Arbeitsverhältnissen zu bieten.
  • für ein aus Bundesmitteln finanziertes Zukunftsinvestitionsprogramm.
  • für eine europäische Politik des sozialen Ausgleichs, die die Auswirkungen kapitalistischer Dynamik imstande ist auszugleichen.

Auch die sogenannte Euro-Krise wurde von den Verantwortlichen und Einflussreichen in Europa genutzt, um den neoliberalen Umbau nach dem Motto des „Privat kann es besser“ in der EU weiter auszubauen. Und: Eine Atempause wird es auch zukünftig nicht geben! Die aktuellen Verhandlungen hinter verschlossenen Türen, nach Protesten nur vorübergehend und nur zum Teil ausgesetzt, zur transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen EU und USA (TTIP) zum Abbau von Investitionshemmnissen für Großinvestoren zeigen, dass die internationale Verflechtung für die multinationalen Konzerne, global agierende Banken und Investoren nach dem Willen der EU-Verantwortlichen weiter voranschreiten soll –  und damit der Demokratie- und Sozialabbau ungehindert weitergehen soll, weitere Deregulierungen von Sozial-, Arbeits-, Gesundheits- oder Umweltstandards zum Schaden von Umwelt, Natur und Mensch vorgesehen sind. Ein Beispiel: Von acht Kernnormen der ILO haben die USA folgende Vorgaben nicht übernommen: das Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren, das Recht auf kollektiv verhandelte Tarifverträge, Abschaffung von Zwangs- und Pflichtarbeit, das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit von Mann und Frau, ein Verbot der Kinderarbeit, ein Verbot von Diskriminierungen am Arbeitsplatz. Die EU-Staaten selbst haben zwar diese Normen übernommen, halten sich aber immer weniger daran, vor allem wenn im Zuge der „Eurokrise“ in Griechenland, Portugal, Spanien oder Italien solche Rechte außer Kraft gesetzt werden, um Streiks zu behindern, Lohnsenkungen durchzudrücken, Tarifverträge abzuschaffen – alles nur, um diese Volkswirtschaften wieder „fit“ zu machen für den globalen Markt. Es droht also mit TTIP die Zunahme von prekären Jobs, ungesicherten Arbeitsplätzen, Gelegenheitsarbeitsstellen hierzulande. Ein anderer sensibler Bereich ist die Agro-Gentechnik, in den USA propagiert, hierzulande aus nachvollziehbaren Gründen zum Ärger der Großkonzerne unbeliebt. Die Einführung von Investitionsschutzregelungen, wie geplant, etwa auch für die Gentechnik-Konzerne würde uns hierzulande erpressbar machen, wenn wie vorgesehen, Staaten von Konzernen in Regress genommen werden können, sollten beispielsweise schon erteilte Genehmigungen aufgrund von neuen Bedenken ausgesetzt oder gar zurückgenommen werden. All dies hat zukünftig auch Auswirkungen auf unsere Kommune, wenn bei Ausschreibungen im Bereich Bau oder Verkehr bestimmte Arbeitsstandards nicht mehr durch die Stadt vorgeschrieben werden können oder wir den Anbau von gentechnisch veränderten Sorten in unserer heimischen Landwirtschaft hinnehmen müssen.

Im künftigen Rat ist also zu klären, welche Auswirkungen die Schaffung einer transatlantischen Freihandelszone zwischen USA, Kanada und EU

  • auf den Spielraum der Gestaltung unserer Energiepolitik hat.
  • auf den Spielraum der Gestaltung unserer Umweltstandards hat.
  • auf den Spielraum der Gestaltung unserer Arbeitsstandards hat.
  • auf unser kommunales Beschaffungs- und Vergaberecht hat.
  • auf Dienstleistungen der Daseinsvorsorge, wie etwa Wasserversorgung, ÖPNV, Abfallentsorgung, Bildung, Gesundheit oder Kulturförderung hat.

Und wie sich die Stadt Kerpen im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten wie Städtetag, Eingaben bei Bundesregierung, EU-Kommission gegebenenfalls gegen das Abkommen positioniert.

Anmerkung:
1 Die  groß angelegte Polizeiaktion vom 27. März 2014 gegenüber den Waldbesetzern vom Hambacher Forst mutet aus unserer Sicht absurd an. – Die Stadt Kerpen scheute keine Einsatzkosten und hatte um Vollzugshilfe gebeten wegen der angeblichen Gefährdung von Leib und Leben von möglichen unbeteiligten Spaziergängern im besetzten Waldstück, dessen Eigentümerin die RWE ist, so konnte man lesen in der Presse. Einen solchen "Einsatz", der weder Kosten noch Mühen scheut, wünschen wir uns auch, wenn es darum geht, die klimaschädliche und "Leib und Leben" gefährdende Energiegewinnung aus Braunkohle zu beenden.
2 Direkte Demokratie - zu diskutieren wäre für DIE LINKE in Kerpen, ob diese idealerweise auch beinhalten sollte: eine, die an unseren Arbeitsplätzen in den Fabriken und Büros eingerichtet wird. Hierzu bietet etwa auch Ellen Meiksins Wood, 2010, Demokratie contra Kapitalismus, Köln interessante Thesen, die für uns erst noch zu bewerten wären auf ihre Tragfähigkeit.
3 Aus:"Kölner Pfarrer Franz Meurer ist "Ehrenfunk 2014". Würdigung des Engagements für sozial Schwache und benachteiligte Menschen, in: Lokale Informationen Opladen, 07.02.2014, zu finden <link www.lokale-informationen.de/rag-lag/docs/825080/opladen - - "Öffnet einen externen Link in neuem Fenster">hier</link>.


Dass die öffentliche Diskussion über die TTIP-Verhandlungen im Geheimen stattfinden, dass die Interessenvertreter der Vielen wie Gewerkschaften oder Verbraucherschutzorganisationen nicht zu den Geladenen gehören, zeigt, dass die öffentliche Diskussion über diese Verhandlungen unerwünscht ist, das Abkommen einfach durch die Parlamente durchgewinkt werden soll, Fakten über unsere Köpfe hinweg geschaffen werden sollen. Die EU leistet weiterhin einem Demokratieabbau Vorschub, indem mehr und mehr wichtige Kompetenzen an Technokraten und demokratisch nicht legitimierten Gremien abgetreten werden (vgl. hierzu auch Rede von Jürgen Habermas auf der Klausurtagung der SPD-Parteispitze am 02. Februar 2014 in Potsdam, sie findet sich <link soundcloud.com/spdde/rede-von-j-rgen-habermas-auf - - "Öffnet einen externen Link in neuem Fenster">hier</link>). So gewinnen zwar die Reichen und Mächtigen über ihre Netzwerke weiter an Einfluss und Mitsprache - den normalen Lohnabhängigen bleibt in Brüssel nur noch der symbolische Protest auf der Straße, wie etwa jetzt bei der gewerkschaftlichen Großdemonstration am 04. April 2014.

Es ist natürlich zu begrüßen und an der Zeit, wenn zum 04. April 2014 250 europäische Gewerkschaften zu einer europäischen Großdemonstration einladen. Denn Erfolg hat Protest gegen die falschen Entwicklungen in der EU nur, wenn die nationale oder bloß kommunale Perspektive von "uns da unten" endlich aufgegeben wird. Während das Kapital hierzulande seine nationalen Grenzen längst hinter sich gelassen hat, ist es also überfällig, dass die Menschen in Europa sich stärker solidarisieren, um sich gemeinsam gegen die weitere Ausplünderung ihres Kontinents zur Wehr zu setzen, bevor ein allein auf die Interessen der transnationalen Investoren hin harmonisierter transantlatischer Wirtschaftsraum irreversibel wird.


Worüber noch zu diskutieren ist:

Es ist unstrittig, dass die EU ursprünglich eine Wirtschaftsunion war, geschaffen nach dem Großen Krieg, um das militärische Potential der deutschen Wirtschaft zu kontrollieren, und geschaffen in Zeiten des Kalten Krieges als ökonomisches Gegengewicht zu den Staaten des sogenannten Ostblocks. Zu diskutieren ist für uns als LINKE in Kerpen: Inwieweit ist sie ein Projekt der wirtschaftlichen Eliten geblieben und dient vorrangig ihren Interessen, etwa um heute im ökonomischen Wettbewerb mit USA und Fernost besser bestehen zu können? Wie friedlich ist die EU? Ist sie überhaupt von einer Wirtschafts- und Währungsunion zu einer Sozialunion erweiterbar, die auch den Interessen und Bedürfnissen der Mehrheit der Menschen dienen könnte? Wieso gibt es kein Recht auf einen europäischen Generalstreik in der EU? Oder keinen europaweiten Mindestlohn? Oder keinen europäischen Sozialplan für Insolvenzen? Oder keine europaweiten Sozialprogramme? Warum keine einheitliche Steuerpolitik? Warum keinen solidarischen Überschuss-Ausgleich bzgl. Export-Import zwischen EU-Mitgliedstaaten? Ist die unsympathische Existenz einer EU-Hegemonialmacht wie derzeit Deutschland EU-systematisch? etc. Oder ist die EU angesichts der zunehmenden Verelendung in weiten Teilen Europas im Zuge der Euro-Rettungspolitik nicht reformierbar und müsste man daher nicht eher für einen Neustart, eine neue EU von unten eintreten?