Für eine lebendige regionale Wirtschaft statt weitere Prekarisierung in unserer Ökonomie

Thomas Ristow

Die Imagekampagne der Werbepost für den lokalen Einzelhandel - Wer weiter denkt, kauft näher ein - zeigt, dass die fortschreitende Globalisierung den ortsansässigen Einzelhandel zu einem Konkurrenzkampf nun mit den Online-Verkäufern zwingt. Waren es bislang die Supermarktketten, gerne vor den Toren an den Ortseingangskreiseln, die zur Verödung der innerörtlichen Einzelhandelsstandorte in unseren Sadtteilen beitrugen, ist es nun der digitalisierte Versandhandel. Sich hier dagegenzustellen, heißt: die sonst propagierten Gesetzmäßigkeiten unserer Ökonomie außer Kraft setzen zu wollen. Wettbewerbsfähigkeit geht sonst über alles - das soll hier nun aber passe sein. Aus sicher nachvollziehbaren Gründen für Kerpen: Denn nicht nur die Existenz der Einzelhändler Kerpens als Teil unserer lokalen Wirtschaft ist negativ betroffen, sondern auch ihr Beitrag, den sie leisten für Kerpen, in Form von Steuern und Arbeitsplätzen vor Ort. Auch ein Stück Leben geht verloren, worauf die Kampagne aufmerksam macht: "Einkaufen mit allen Sinnen" - das geht beim Online-Handel genausowenig wie Steuereinnahmen oder Arbeitsplätze vor Ort.


Als Anmerkung kann sich DIE LINKE. Kerpen nicht verkneifen:

Was für den Gewerbetreibenden und den Einzelhandel angesichts der Bedrohung ihrer Existenzen durch Gobal Player im Online-Versandhandel nun möglich sein soll, nämlich ein Umdenken hin zu einer regionalen, demokratischeren Wirtschaftordnung, muss unserer Meinung als LINKE nach demnach auch für Bürgerinnen und Bürger gelten können, die aufgrund ihrer Geburt gezwungen sind, sich und ihre Arbeitskraft anzubieten auf einem knappen Arbeitsmarkt, dort miteinander konkurrierend um die deswegen immer weniger und immer schlechter bezahlten Arbeitsverhältnisse. Hier sind auch andere Konzepte wie das bedingungslose Grundeinkommen oder sanktionsfreie Grundsicherung statt Hartz IV oder Vollbeschäftigung über Arbeitszeitverkürzung denkbar, die die Existenz vieler unter uns von Not und Elend infolge der derzeitigen Verhältnisse am Arbeitsmarkt befreien könnte. Ein aktives Eintreten hierfür auch seitens des Kerpener Einzelhandels sollte nun aber möglich sein. Solidarität mit den Erwerbslosen, den prekär Beschäftigten und von Entlassung oder Schlechterstellung bedrohten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sollte nun sichtbar möglich sein, zum Beispiel auch angesichts der derzeitigen Warnstreikwelle der Beschäftigten im öffentlichen Dienst, des anstehenden Pilotenstreiks und der Aktionen bei den Postfilialen.

  • Denn wir alle haben es satt, immer nur die Opferrolle in unserer Ökonomie zu spielen: nicht nur die Lohnabhängigen, sondern auch die Gewerbetreibenden und Einzelhändler in unserer Region.

Weiter:

Der Kerpener Rat sollte nun dafür gewonnen werden können, sich etwa gegen Leiharbeit auf Kerpener Gebiet einzusetzen oder für ein Mehr an Personal in der Verwaltung oder für eine Kampagne zur Bekämpfung der Unsitte, jungen Erwachsenen in unserer Wirtschaft Schein-Praktika statt Arbeitsplätzen anzubieten, auch der Bundesfreiwilligendienst gehört kritischer betrachtet, schon allein wegen der damit letztlich verbundenen Beseitigung von regulären Arbeitsplätzen. Denn: Auch wenn dies mehr kostet und eine Bestellung beim Online-Versandhandel auch billiger, sparsamer ist - dies ökonomische Prinzip soll ja nun außer Kraft gesetzt werden beim Kerpener Einzelhandel, um die lokale Wirtschaft zu stärken. Warum also immer noch weiter nach den Sparsamkeitsprinzipien bei der Gestaltung der Arbeitsverhältnisse in unserem Stadtgebiet handeln? Die Macht der "Märkte" muss auch auf diesem Gebiet außer Kraft gesetzt werden können - für den Menschen, sein Wohl und die Wohlfahrt unserer Gemeinschaft. Und Zuspruch findet dieses Umdenken weg vom Austeritätsgedanken im Zusammenhang mit dem Problem der Einzelhändler  ja nicht nur bei den Betroffenen und den Kunden, sondern auch bei unseren politischen Parteien in Kerpen, da ja, wie die Werbepost am 19.03.2014 schreibt, bei ihr zahlreiche positive Rückmeldungen aus Kreisen der Politik eingetroffen seien. - Hier können wir als LINKE. Kerpen nur sagen: Weiter so!


Worüber noch zu diskutieren ist:

Sicher ist das Wohlfahrtsstaatsmodell ein Projekt der Vergangenheit, das den Erfordernissen unserer Zeit, einer Zeit des globalisierten Kapitals, zwangsläufig nicht gerecht werden kann, da es aufbaut auf dem Nationalstaat und dem Glauben in weiten Teilen der Bevölkerung, insbesondere unter den als Stammbelegschaft Beschäftigten, dass die eigenen Interessen verbunden sind mit der nationalen Identität und dem nationalen Agieren ihres Unternehmens und ihres Nationalstaats auf dem globalen Markt (entsprechend dann auch das Agitieren von Gewerkschaften usw. anläßlich der "Euro"-Krise). Notwendig ist vielmehr, das dahinter stehende alte Strategiemuster endgültig zu verlassen.

Haben also Negri/Hardt recht? - wenn sie schreiben:

Wenn sich kapitalistische Herrschaft zunehmend globalisiert, dann muss der Widerstand dagegen das Lokale verteidigen und Barrieren gegen die beschleunigten Ströme des Kapitals errichten.Eine solche lokalistische Position nun (...) ist in der Gegenwart falsch (...). Diese Perspektive kann leicht in eine Art Vorstellung von natürlicher Ordnung kippen, die gesellschaftliche Verhältnisse und Identitäten fixiert und romantisiert. (...) Die linke Strategie, gegen die Globalisierung Widerstand zu leisten und das lokale zu verteidigen, ist gleichzeitig schädlich. Denn in vielen Fällen ist das, was als lokale Identität auftreten mag, weder selbstgewählt noch selbstbestimmt, sondern fördert und stützt die imperiale kapitalistische Maschine. usw. (aus: Hardt/Negri, 2003, Empie, Ss. 56 - 59).

  • Taugen heutzutage also linkskeynesianistische Ansätze nurmehr schlecht zur Lösung unserer sozialen und ökonomischen Probleme?
  • Ist es so, dass sie allenfalls als soziale, ökonomische "Brückentechnologie" nur noch vorübergehend geeignet sind, bis eine zukünftige, jetzt eigentlich aber schon notwendige demokratische Wirtschaftsordnung entwickelt ist, die den Menschen, sein Wohl, seine Gesundheit, seine wirklichen Bedürfnisse, und die ihn umgebende Natur in den Mittelpunkt stellt?

Wichtig ist für Kommunen in der Fläche also generell, dass, wie auch das negative Dauer-Planungsbeispiel Vollsortimenter im Stadtteil Brüggen zeigt, die Versorgung vor Ort in den einzelnen Stadtteilen vor allem für ältere Menschen, für Familien mit Kindern, für Nicht-Motorisierte sicherzustellen ist, gerade wenn wie in Brüggen die Einzelhändler wegen der Supermarktketten außerhalb der Ortschaften längst aufgeben mussten. Denn auch die Brüggener Discounter mit ihrem eingeschränkten Angebot sind für ältere Brüggener und Nicht-Motorisierte nur schlecht zu erreichen. DIE LINKE. Kerpen kann sich da nur wundern, wie lange dies in Brüggen eigentlich noch dauern muss. Im Rat wird sich DIE LINKE. Kerpen in jedem Fall für einen Vollsortimenter im Zentrum von Brüggen stark machen, falls die aktuellen Plänen, hier nach Jahren endlich etwas umzusetzen, sich nun doch nicht verwirklichen sollten.