Räumung des Hambacher Forsts: Weisung des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung an Stadt Kerpen war rechtswidrig

Im Oktober 2021 wurde der CDU-Bürgermeister der Kolpingstadt Kerpen über den CDU- Landrat des Rhein-Erft-Kreises durch das CDU geführte Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung angewiesen, gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes Köln (AZ.: 23 K 7046/18) zur Räumung des Hambacher Forsts im Jahr 2018 Berufung einzulegen. Dieses Urteil hatte festgestellt, dass die Begründung zur Räumung nicht rechtmäßig gewesen ist.

Der Rat der Kolpingstadt Kerpen hatte dazu am 26.10.2021 den Beschluss gefasst, den Antrag auf Zulassung der Berufung zurückzunehmen, was der Bürgermeister jedoch missachtet hatte.

Um diese Weisung des Ministeriums rechtlich einordnen zu können, haben in Kerpen die SPD-Fraktion, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Linksfraktion und der Stadtverordnete Scharping (UWG) ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, welches im Ergebnis zu dem Schluss kommt: Die Weisung des Ministeriums war, wie auch seinerzeit die Begründung zur Räumung des Forsts, rechtswidrig!

Die Auftraggeber dieses Gutachtens fassen diesbezüglich zusammen:

„Das Gericht hatte klar gesagt, dass der Grund für die damalige Räumung vom Düsseldorfer Bauministerium lediglich vorgeschoben sei. Die CDU-Bauministerin Scharrenbach hat sich damals dafür das Baurecht geradezu zurechtgebogen. Anstatt nun die Lehre daraus zu ziehen, biegt dieses Ministerium erneut das Recht, indem mit hanebüchenen Argumenten erneut die Kolpingstadt Kerpen zu etwas gezwungen wird, was sie nicht will! Diese Weisung stützt sich im Kern auf die Aussage, dass der Urteilsspruch des VG Köln eine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung darstelle. Da dürfte jedem klar sein, dass dies irrational ist. Vielmehr hat sich das Ministerium also rein aus politischer Motivation und Taktiererei leiten lassen, als es die Weisung aussprach.“, so der SPD Fraktionsvorsitzende Andreas Lipp.

Der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Peter Abels, führt dazu weiter aus: „Diese Weisung ist ein nicht zu tolerierender Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung. Mit einer an den Haaren herbeigezogenen Begründung handelt der Bürgermeister gegen den Willen des Stadtrates. Das Land NRW unterstellt dem Urteil des Verwaltungsgerichtes eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung - welche Arroganz!“

Dieses Fehlverhalten sieht auch die Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion, Annetta Ristow: „Hier hat Frau Scharrenbach ganz klar ihren Ermessensspielraum überschritten und die Neutralität, der ein Ministerium unterliegt, missachtet. Dabei hat Ministerpräsident Wüst sie einfach gewähren lassen und dies, trotz der ganzen skandalösen Vorgehensweise in der Vergangenheit. Das Schlimme dabei ist ja auch noch, dass das Votum der Stadt bzw. des Stadtrates völlig übergangen wird. Wenn man dies in die Bewertung mit einfließen lässt, wird ersichtlich, dass die kommunale Selbstverwaltung unserer Städte das Ministerium offenbar überhaupt nicht interessiert. Eine ähnliche Vorgehensweise kann somit jeder anderen Stadt in anderen Sachlagen drohen!“

Stadtverordneter Wolfgang Scharping pflichtet dem bei: „Spätestens nach der Veröffentlichung des O-Tons von Herrn Laschet, dass er doch nur irgendeinen Grund brauchte, um den Forst räumen zu lassen, hätte man erwarten dürfen, dass die Landes-CDU sich von diesem Irrweg verabschiedet. Das aktuelle Gebaren der CDU zeigt nun nur eines: Niemand in der Landesregierung hat die Haltung, einen Fehler einzugestehen. Nein, man will mit Gewalt seinen Willen durchsetzen, koste es, was es wolle. Und wieder auf dem Rücken und auf Kosten unserer Stadt, welche sich im Haushaltssicherungskonzept befindet.“

Auch die Landtagskandidaten/innen der Parteien haben dafür absolut kein Verständnis.

Der SPD Landtagskandidat und Kreisparteivorsitzende Daniel Dobbelstein erklärt: „Nach dem Desaster in der Begründung zur Räumung und dem sehr eindeutigen Urteil des VG Köln nun die Kaltschnäuzigkeit zu besitzen, mit den in der Weisung genannten Gründen die Stadt in die Berufung zu zwingen, ist ein Skandal. In solchen Sachen ist es wichtig, ehrlich zu sein. Zu sich selbst und zu den Menschen unseres Landes. Wen wundert es dabei noch, dass die Bürgerinnen und Bürger politikverdrossen werden?“

Auch die Landtagskandidatin von Bündnis 90/Die Grünen, Antje Grothus kommentiert wie folgt:„Die Landesregierung muss die offensichtlich rechtswidrige Weisung an die Kommune Kerpen zurückziehen. Dann kann das Urteil des VG Köln endlich in Rechtskraft erwachsen und die Folgen der illegalen Räumung des Hambacher Waldes können aufgearbeitet werden. Eine grün mitregierte Landesregierung wird zukünftig den Kommunen auf Augenhöhe begegnen, ihre rechtlichen Bedenken ernst nehmen und nicht einfach von oben herab darüber hinweggehen“.

Der Landtagskandidat der Linken und Kreisfraktionsvorsitzende Hans Decruppe, selbst Jurist, bewertet das Ganze wie folgt: „Die Landesregierung NRW hat sich vollends in eine Sackgasse manövriert. Die Weisung zur Räumung des Hambacher Waldes war eine politische und auch – wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat – eine juristische Fehlentscheidung. Die jetzige Weisung an den Bürgermeister von Kerpen, das Urteil des Verwaltungsgerichts ‚auf Teufel komm raus‘ in die Berufung zu bringen, ist Ausdruck politischer Rechthaberei von Ministerin Scharrenbach (CDU). Ich teile die rechtliche Bewertung der Anwaltskollegen Dr. Lück und Frau Hoffmann in ihrem Gutachten, dass auch diese Weisung rechtlich nicht haltbar ist. Ergänzend möchte ich meinerseits aus anwaltlicher Sicht hinzufügen, dass die sog. ‚Organleihe‘, mit der das Land den Bürgermeister in Anspruch nimmt, dazu führt, dass jetzt das Land NRW den Prozess faktisch und rechtlich führt und nicht mehr die Kolpingstadt Kerpen, die jedoch Beklagte des Rechtsstreits ist. Das Land NRW war bis dahin nicht Partei des Rechtsstreits. Damit liegt ein sog. ‚Parteiwechsel“ vor, der jedoch prozessrechtlich unzulässig ist. Ein Scheitern der Landesregierung ist damit vorprogrammiert.“.

Mit dem Wissen also, dass die Räumung des Forsts rechtswidrig war, die Weisung in Berufung zu gehen ebenfalls als rechtwidrig einzustufen ist und dass die CDU eiskalt jedwedes Rechtsverständnis über Bord geworfen hat und sich Lücken im Rechtssystem zurechtlegt, um irgendwie das eigene politische Versagen zu kaschieren, kann man nur hoffen, dass dem Antrag auf Berufung vom Oberverwaltungsgericht nicht stattgegeben wird. Denn ansonsten würde dieses Vorgehen auch noch, zumindest für das öffentliche Verständnis, legitimiert. Wenn dieser Umgang mit den Städten des Landes Schule machen würde, sehen wir dunklen Zeiten entgegen.

Annetta Ristow / Andreas Lipp / Peter Abels / Wolfgang Scharping