Antrag der Fraktion DIE LINKE zum Haupt- und Finanzausschuss am 18.10.22: Inklusion in der Verwaltung – Ausbildungsberuf Fachpraktiker:in für Büromanagement einführen

Die Linksfraktion beantragt:

1.    Die Kolpingstadt Kerpen prüft, zum Start des Ausbildungsjahres 2023/2024 den speziell auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten von Menschen mit Behinderung zugeschnittenen Ausbildungsberuf „Fachpraktiker:in für Büromanagement“ in der Verwaltung und in geeigneten stadteigenen Gesellschaften einzuführen.
2.    Für das Ausbildungsjahr 2023/2024 wird angestrebt, mindestens drei Ausbildungsplätze in der Verwaltung zur Verfügung zu stellen. Der Stellenplan für die Jahre 2023/2024 ist entsprechend anzupassen und die nötigen Haushaltsmittel sind bereitzustellen.
3.    Für die effektive Werbung für diesen Ausbildungsberuf werden erforderliche Mittel in den Haushalt 2023/2024 eingestellt.
4.    Der Rat wird über das Ergebnis der Prüfung und der Planungen zur Einrichtung des Ausbildungsberufes regelmäßig unterrichtet.

Begründung: Menschen mit Behinderung brauchen Chancengerechtigkeit insbesondere auf dem Arbeitsmarkt. Für eine demokratische und soziale Gesellschaft ist das ein elementares Prinzip. Das Angebot eines speziellen Ausbildungsberufs für Menschen mit Behinderung kann ein wichtiger Beitrag zur Chancengerechtigkeit leisten, da es die notwenigen Qualifikationen und Kenntnisse vermittelt, um auf dem ersten Arbeitsmarkt erfolgreich zu sein.
Nach wie vor ist trotz aller Bemühungen die Arbeitsmarktsituation für Menschen mit Behinderung deutlich angespannter als für den Durchschnitt. So liegt beispielsweise die Arbeitslosigkeit unter schwerbehinderten Menschen systematisch höher als die allgemeine Arbeitslosigkeit. Im Jahr 2020 lag die Arbeitslosenquote unter Menschen mit Behinderung bei 11,8 % während die durchschnittliche Arbeitslosenquote 7,3 % betrug.
Auch die generelle Beteiligung behinderter Menschen am Erwerbsleben ist relativ gering. Die Erwerbsquote für Menschen mit Behinderung im Alter von 15-65 Jahren lag im Jahre 2017 bei 49%, während es in der Gesamtbevölkerung insgesamt 78,2% waren.
Zudem sind die Arbeitsbedingungen der rund 300.000 Beschäftigten in Behindertenwerkstätten besonders prekär. Sie verdienten im Jahr 2019 im Durchschnitt 220,28 Euro im Monat, was bei einer Vollzeittätigkeit einem Stundenlohn von 1,28 Euro entspricht.  Von den rund 172.000 schwerbehinderten Arbeitslosen geben ca. 21.000 Menschen an, dass sie gerne in Büro- und Sekretariatsberufen arbeiten würden, also in Berufen, die im öffentlichen Dienst angeboten werden. Zudem sind schon rund 19,3% der erwerbstätigen Menschen mit Behinderung im öffentlichen Dienst angestellt.  
Um Menschen mit Behinderung für Bürotätigkeiten zu qualifizieren, wurde der Ausbildungsberuf des Fachpraktikers für Büromanagement eingeführt, der an der herkömmlichen Ausbildung der/des Bürokauffrau/manns orientiert ist (Ausbildungsordnung nach § 66 BBiG und § 42r HWO veröffentlicht im Bundesanzeiger ).
Die Stadt Köln bietet diese Ausbildung bereits seit 2019 an. Zwei Berufsschultage pro Woche verbringen die Auszubildenden aus Köln in der CJD Christophorusschule in Frechen.
Würde die Stadt diese Ausbildung in Zukunft anbieten, könnte sie ein weiteres Aushängeschild gelungener Inklusion werden. Die Verwaltung eignet sich besonders als Ausbildungsbetrieb. Einerseits hat die Verwaltung bereits einen hohen Anteil an Beschäftigten mit Behinderung und kann somit ein gutes Umfeld anbieten. Andererseits sind die Räumlichkeiten der Verwaltung und das Rathaus im Wesentlichen barrierefrei. Zudem ist der Berufsschulort Frechen im Kreis gelegen und würde für die Auszubildenden keinen unzumutbaren Schulweg erfordern. Die Ausbildung schafft Alternativen zur Arbeitslosigkeit und zur entwürdigend entlohnten Beschäftigung in einer Behindertenwerkstatt