Fragen an den Kämmerer zum Haushaltsplanentwurf 2025/26

u.a. zu: Erhöhung der Grundsteuer B

Thomas Ristow

Welche Probleme gibt es bei der praktischen Umsetzung des Konnexitätsprinzips für die Stadt Kerpen anhand konkreter Beispiele wie der personellen Mehrkosten bei der Wohngeldstelle – Stand u.W. derzeit – in Höhe von 678.900 € p.a.?

Das Konnexitätsprinzip besagt, dass das Land den Kommunen neue Aufgaben nur übertragen darf, wenn es gleichzeitig Bestimmungen über deren Kostendeckung trifft und einen Ausgleich für die entstehenden Kosten schafft. So greift das Konnexitätsprinzip nur bei der Aufgabenübertragung durch Gesetze von Seiten des Landes. Dies kann dazu führen, dass das Land über Erlasse in die kommunale Aufgabenstruktur eingreift, für die eine Kostenregelungspflicht dann nicht gilt. Außerdem kommt das Prinzip nicht zum Tragen, wenn der Bund Aufgaben ändert, die der Landesgesetzgeber den Gemeinden schon vor Jahren zugewiesen hat, oder wenn die Kosten bei schon bestehenden Aufgaben steigen. Ein weiterer Konfliktpunkt sind Kostenfolgeabschätzungen. – Bitte hierzu Beispiele!

Wie haben sich die Sozialausgaben, die die Stadt Kerpen zu tragen hat, seit 2009 entwickelt?

Die kommunalen Haushalte müssen von den Sozialleistungen entlastet werden. Diese muss in vollem Umfang der Bund tragen. Kosten, die von Bund oder Ländern verursacht werden, müssen auch von dort finanziert werden.

Welche Kosten verursacht es die Stadt, die kommunale Erftland und die Stadtwerke gemeinnützig betreiben zu können?

Die Kommunen müssen ihre Aufgaben stärker eigenständig wahrnehmen können, statt sie auf private Anbieter zu übertragen! Der lokale Energieversorger und kommunale Wohnungsbaugesellschaften sollten keine Profite erzielen müssen, um den kommunalen Haushalt zu sanieren. Wir fordern einen Rekommunalisierungsfonds aus Bundesmitteln, auf den Kommunen und Länder zurückgreifen können, um privatisierte Betriebe zurück in die öffentliche Hand zu holen und gemeinnützig zu betreiben.

Im Haushalt 2023/24 war geplant die Grundsteuer B 2024 auf 800 und in 2025 auf 1198 zu erhöhen! Warum wurde diese Erhöhung im Wahljahr 2025 dann doch nicht vorgenommen und verschoben?

Im Vorbericht heißt es dazu lediglich lapidar: „Bei der Grundsteuer B war im Plan 2023/2024 für das Haushaltsjahr eine deutliche Steuererhöhung zur Erreichung des Haushaltsausgleichs berücksichtigt worden. Hierauf wird im aktuellen Entwurf verzichtet.“

Welche Möglichkeiten bietet eine Spaltung der Grundsteuer B hinsichtlich der Entlastung von Mieter:innen in Kerpen?

Die Erhöhung führt zu einem weiteren Anstieg der Betriebskosten und damit zu Notlagen vulnerabler Bevölkerungsgruppen in Kerpen angesichts der bestehenden extremen Wohnkosten-Lage.

Wie sieht die monatliche Belastung im Durchschnitt pro m² Wohnfläche in einer Kerpener Mietwohnung in 2024 bzw. 2025 ungefähr aus?

Sie lag für 2023 NRW-weit bei 0,22 €/m² bei einem durchschnittlichen Hebesatz in 2023 von 594, in 2024 liegt der Hebesatz NRW-weit bei 614. In Kerpen ist er also 25% höher als im NRW-Durchschnitt. Für 2023 läge die Belastung durch die Grundsteuer B in Kerpen demnach durchschnittlich bei 0,275€/m².

Hintergrund: Kerpen liegt in der aktuellen Statistik – 2019 – im unteren Drittel der 379 NRW-Kommunen hinsichtlich Haushaltseinkommen: Meerbusch, Platz 1, mit 72.981 €, Gelsenkirchen, Platz 379, mit 33.513 € und Kerpen, Platz 261, mit 41.875 €. Wobei die perverse Ungleichheit der Einkommensverteilung dabei ausgeblendet ist, steht u.E. gerade aufgrund dieser Situation die Stadt in der Pflicht, die Erhöhung der Grundsteuer B in Kerpen deswegen als Widerspruch zum Prinzip der landesweit anzustrebenden Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen abzulehnen bzw. bei Land bzw. Bund anzuzeigen.

Welche Möglichkeiten bietet die Einführung einer Grundsteuer C hinsichtlich der Entlastung von Mieter:innen in Kerpen?

Das Thema wurde schon seit Jahren in Anfragen und Anträgen im Rat angesprochen. Eine dezidierte Antwort hierzu sollte daher u.E. eigentlich zu erwarten sein.

Warum bietet das Verlassen der Haushaltssicherung zum jetzigen Zeitpunkt Vorteile, wenn doch freiwillige Ausgaben z.B. in die soziale Infrastruktur nach wie vor nicht möglich sind, weil der Konsolidierungsdruck zwingend bleibt angesichts von 2.1 Mio. € weniger an Erträgen und 29,4 Mio. € mehr an Ausgaben? Was ist dann mit der Notwendigkeit bei der Aufnahme von Fördermitteln statt 10% nun 20% Eigenanteil aufbringen zu müssen?

Angekündigt werden Haushaltskürzungen in allen Bereichen um 2% der Budgetbereiche der jeweiligen Ämter. Was bedeutet das konkret?

Ertragssteigerungen!

Beispiel: Pumpspeicherkraftwerk im Hambacher See. Welche Einnahmen wären hier möglich? Warum wurde vom Bürgermeister als politisch gewählter Vertreter der CDU via Verwaltungsvorlage 520/24 die Möglichkeit, über ein Pumpspeicherkraftwerk im Hambacher See künftig erhebliche Gewerbesteuereinnahmen zu erzielen, schon im Vorfeld einer Entscheidung desavouiert?

Beispiel: Gewerbebetriebe ansiedeln. Welches Gewerbe hat keinen hohen Flächenverbrauch wie die ortsüblichen Logistik-/Speditions-/Lagerhallen-Betriebe, für die sich die Verwaltung gerne loben lässt – „guter Branchenmix“ K. Ripp?

Beispiel: Europaschule. Was sind etwaige Folgenutzungen des alten Gebäudes der Europaschule und welche Einnahmen sind möglich?

Beispiel: Stadtwerke. Welche Projekte sind als gewinnbringende Investitionen möglich?

Vgl. Vorbericht, S.67.

Aufwandsreduzierungen, Investitionsreduzierungen! Welche sind möglich und kommunizierbar?

Welche Auswirkungen hat die Feststellung des Grundsteuerwerts infolge der Reform für die Stadt als Eigentümerin von Grundstücken? Erhöht sich damit nicht auch das Anlagevermögen wegen der nun einberechneten Wertsteigerungen seit 1935 bzw. 1964? Wenn ja, wird dies berücksichtigt im vorliegenden Haushaltsplanentwurf?

Welche Kosten hat das Projekt Schloss Türnich die Stadt verursacht? Welche Kosten sind für die Beseitigung der Mängel der Erftlagune bislang entstanden? Welche Zusatzkosten hat es verursacht, statt in dem laufenden transparenten Bieter-Verfahren in Exklusivverhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit ein umfangreiches und hochkomplexes Vertragswerk nur mit einem Anbieter zu verhandeln, dessen Für und Wider auch nicht öffentlich diskutiert werden konnte?

Unnötige Kosten verursachte in jedem Fall die Einschaltung weiterer Beteiligter, obwohl das Bieterverfahren kurz vor dem Abschluss stand. Hinzu kommt u.E. wohl ein Verlust in Millionenhöhe wegen des verspäteten Starts der „Stadtwerke“. Rekommunalisierung – das ist eine Herzensangelegenheit von uns. Aber eine erfolgreiche Rekommunalisierung sieht anders aus.

Als Ursache für die Schieflage wird zu Recht das Fehlverhalten der höheren Ebenen in unserem föderalen Staatsaufbau genannt. Aber ausgeblendet werden die Fehler, die sich Kerpen und seine maßgebenden politischen Kräfte in der Vergangenheit haben zuschulden kommen lassen. U.E. stehen die Befürworter des Haushaltsplanentwurfs wie auch die Verwaltung in der Pflicht, die Bürger:innen über die Gründe, die zur finanziellen Schieflage unserer Kommune geführt haben, umfassend aufzuklären, um das Vertrauen in Politik und Verwaltung nicht zu verspielen.

Diese anzuprangern und deswegen den Haushalt abzulehnen wird fälschlicherweise, weil wohlfeil, als populistisch bezeichnet. Vielmehr ist im Umkehrschluss eine Haltung, die Gegebenheiten zu akzeptieren und Kollateralschäden, wie die Armutsgefährdung von Menschen, in Kauf zu nehmen wegen fehlender finanzieller Mittel tatsächlich korrumpierte Politik, nämlich Bürokratie, Technokratie und entspricht damit dem, was genannt wird: Verwaltungsstaat.

Stellungnahme zur Haushaltslage der Kolpingstadt Kerpen. Haushaltsplanentwurf 2025/26. Erhöhung der Grundsteuer B

Thomas Ristow

Die Städte und Gemeinden sind chronisch unterfinanziert. Die Ausgaben der Städte und Gemeinden steigen seit Jahren stärker als ihre Einnahmen. Daher erfolgt Jahr auf Jahr die unvermeidliche Erhöhung der Grundsteuer B, um die Handlungsfähigkeit der Kommune angesichts der desolaten Haushaltslage aufrecht halten zu können. Diese ist in Kerpen für 2025 auf 832 festgelegt, soll dann aber weiter steigen: 2026 auf 1200, 2027 auf 1910, 2028 auf 2050 und 2029 auf 2100. Belastet werden durch diese Steuer aber keineswegs diejenigen, die durch die Vermietung von Wohnraum ihre Gewinne erzielen, sondern Mieterinnen und Mieter, denen die Rechnung mit den jährlichen Nebenkosten präsentiert wird. Aber diese Mieterhöhung durch die Hintertür trifft genauso die Eigenheimbesitzer:innen, die gehofft hatten, durch den Erwerb oder Bau eines Häuschens der Spirale der ständig steigenden Mieterhöhungen zu entkommen. Dieser sozialen Ungerechtigkeit stellt sich die Fraktion der Linken vehement entgegen.

Was benötigt wird: eine Altschuldenregelung. hier darf das Land nicht länger auf den Bund warten. Die zugesagten Mittel des Landes NRW betragen ab 2025 250 Mio. € p.a. für die nächsten 30 Jahre; der Bund sollte ebenfalls die gleiche Summe zur Verfügung stellen, wofür es aber m.E. keine entsprechende Mehrheit gibt.

Bund und Land müssen das Konnexitätsprinzip durchgängig anwenden. Um die Kostenregelungspflicht zu umgehen, benutzen Land und Bund Tricks wie: Statt über Gesetze werden Aufgaben über Erlasse übertragen, für die keine Pflicht zur Kostenregelung besteht. So kann das Prinzip umgangen werden, wenn der Bund Aufgaben ändert, die das Land schon früher den Kommunen übertragen hatte. Oder wenn die Kosten bei schon übertragenen Aufgaben steigen. Beispiel: die personellen Mehrkosten bei der Kerpener Wohngeldstelle – Stand auf eine Anfrage von uns derzeit – in Höhe von 678.900 € p.a. Um die ihnen übertragenen Aufgaben wahrnehmen zu können, müssen die Kommunen wegen fehlender finanzieller Ausstattung von Land und Bund Kredite aufnehmen. Was zur Folge hat, dass das Geld fehlt bzw. es erschwert, um die wichtigen Investitionen in die Infrastruktur wie in Schulen, Straßen und Brücken oder Kitas vorzunehmen. Beispiel: 36% von den 104 Brückenbauwerken in Kerpen sind inzwischen marode.

Beides wird von den im Land und Bund verantwortlichen jeweils regierenden Parteien, CDU, SPD, FDP und Grüne, Jahr für Jahr auf die lange Bank geschoben. Um das zu ändern, kann bei der Bundestagswahl 2025 entsprechend gewählt werden.

Als Linke fordern wir darüber hinaus seit Jahren den kommunalen Einnahmeanteil am Gesamtsteueraufkommen anzuheben. Daneben müssen die eigenen kommunalen Einnahmen höher und verlässlicher ausfallen. Die derzeit wichtigste kommunale Steuereinnahmequelle ist die Gewerbesteuer, die aber stark schwankt und keine zuverlässige Einnahmequelle darstellt. Die Gewerbesteuer bildet ein Band zwischen den Städten und Gemeinden und der vor Ort ansässigen Wirtschaft. Städte und Gemeinden schaffen die notwendige Infrastruktur und unterstützen sowie kümmern sich um die Ansiedlung von Unternehmen. Die Partei Die Linke will die Gewerbesteuer dazu zu einer Gemeindewirtschaftsteuer weiterentwickeln, um als originäre Kommunalsteuer die Einnahmeseite der Kommunen zu verbessern. Dafür müssen die Bemessungsgrundlage erweitert und freie Berufe, wie vom Deutschen Städte- und Gemeindebund gefordert, mit einbezogen werden (siehe z.B. Anträge in der Vergangenheit mit den Drucksachennummern 18/1094, 18/3838, 19/28907 im Bundestag).

Als Linke fordern wir eine Reform der Förderpolitik. Ohne entsprechendes Personal ist es der Stadt Kerpen nicht möglich, an den bürokratisch aufwendigen Programmen erfolgreich teilnehmen zu können. Wir wollen, dass hier die bürokratischen Hürden abgebaut werden! Die Förderung muss auch ohne Eigenmittel der Kommunen erfolgen: Wenn die Kommunen nur auf Fördermittel zugreifen können, wenn sie Eigenanteile erbringen, sind die Kommunen wie die Kolpingstadt Kerpen ausgeschlossen, die die Förderung am dringendsten benötigen. Denn die aufzubringenden 20% Eigenanteil bzw. 10%, wenn Kommunen wie Kerpen in der Haushaltssicherung sind, sind immer noch zu viel!

Um Kommunen wie Kerpen wieder handlungsfähig zu machen, müssen sie von der Pflicht zu Haushaltssicherungskonzepten, Haushaltskonsolidierungen und Nothaushalten befreit werden. Es braucht ein bundesweites Kommunalentschuldungspaket bzw. einen  Sonderfond für besonders finanzschwache Kommunen wie Kerpen, der sie unterstützt die Rückstände bei Erhalt und Investitionen in die Infrastruktur aufzuholen. Kerpen muss so wieder in die Lage kommen, die notwendige soziale Infrastruktur vorzuhalten: Bus, Bäcker, eine Möglichkeit zum Geldabheben, Arztpraxen und Begegnungsorte müssen in jedem Ort vorhanden sein. Schwimmbäder und Sportstätten, Jugendzentren, Wohnungslosenhilfe und Schulpsycholog*innen sind unverzichtbarer Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Dazu müssen die Kommunen ausreichend finanziert werden. Politische Vorhaben, wie die Errichtung eines Medizinischen Versorgungszentrums zur Sicherung der Gesundheitsversorgung in unseren Stadtteilen, wie wir es als Linke in den Rat der Stadt eingebracht haben, können dann so nicht mehr mit dem lapidaren Verweis auf die Haushaltslage und die Pflicht zum Sparen abgewiesen werden.

So sehen wir in Kerpen die Stadt in der Pflicht, sich zu verabschieden vom Modell "Privat kann es besser als der Staat". Beispiel: Die mit Mängeln behaftete Ausführung der Erftlagune durch das Privatunternehmen Holzmann als Generalunternehmer hat der Stadt nur vermeidbare Folgekosten beschert. Ein anderes dauerndes Ärgernis ist die Einbeziehung teurer externer Beraterfirmen - ein Geschäftsmodell, dass sich infolge des „Privat vor Staat“, von FDP und CDU seit den frühen 1980er Jahren initiiert, etablieren konnte. Seitdem schwindet die Expertise der kommunalen Verwaltung und die Abhängigkeit von teuren externen Berater:innen.

Die Stadt hat es ebenso versäumt kluge Investitionen zu tätigen, z.B. in den kommunalen Sozialwohnungsbau in Eigenregie - denn ohne diese fließen via Wohngeld und Kosten der Unterkunft bei Hartz IV, nun Bürgergeld, öffentliche Mittel statt in die kommunalen Taschen in die der privaten Vermieter:innen.

Weitere Ärgernisse aus der Vergangenheit sind die aus unserer Sicht missglückte Gründung der Stadtwerke mit einer Partnerin, die auf Antrag der CDU-geführten Mehrheitskoalition damals im Rat exklusiv mit ihr durchgeführt wurde, statt das laufende Bewerbungsverfahren mit anderen Anbietern abzuwarten, oder die gescheiterte Gründung einer kommunalen Bau- und Planungsgesellschaft oder der dauernde Ausverkauf kommunaler Grundstücke an Investoren, statt diese nach Erbpachtrecht zu vergeben und im Portfolio der Stadt zu belassen.

Die Kommune selbst soll diesem Modell nach selbst wie ein Wirtschaftsunternehmen geführt werden. Um das zu erreichen wurde 2009 die Schuldenbremse als Werkzeug zur Schulden- und Defizitbegrenzung in Deutschland eingeführt, 2012 dann als Fiskalpakt EU-weit ubiquitär. Es geht u.a. auch um die Disziplinierung als - aus Sicht der Märkte - ausgabewütig verdächtiger Sozialstaats-Politiker:innen, die ihrem Wahlvolk sonst Geschenke auf Kosten zukünftiger Generationen machen würden. Es geht um die Erzeugung von Schuldhaftigkeit und schlechtes Gewissen, wenn die Politik Ausgaben für die Wohlfahrt der Gemeinschaft oder gar Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums einfordert. Soziale Rechte haben wird umgedeutet zu: Schulden haben. Und diese politisch einzufordern, heißt dann: seine "Hausaufgaben nicht gemacht zu haben". Entsprechend überlässt der Bürgermeister seine Haushaltsrede zum Haushalt 2025/26 in Kerpen seinem Kämmerer, der mit dem Tenor des Lobs von der Schönheit der Schuldenbremse angesichts der desolaten Haushaltslage alle Ausgaben als unangemessen erklären kann. Die Stadt Kerpen soll wie der Haushalt der sparsamen und schuldenfrei wirtschaftenden „schwäbischen Hausfrau“ geführt werden. Kein Wort aber von den Ursachen dieser Schulden. Warum werden nicht etwa Entscheidungen bei der Auftragsvergabe unter der Vorgabe "Privat kann es besser als der Staat" als mögliche Ursachen für das Haushaltsloch angesprochen oder aber der Umfang der ständigen Verletzung des Konnexitätsprinzips transparent in Zahlen aufgezeigt?

Außerdem: Ist eine Kommune nichts anderes als ein Privathaushalt? Und: Wenn Ökonomie, das Reich der Notwendigkeiten, moralisch zu gestalten wäre, dann aber doch nach den Maßstäben der Solidarität, des Altruismus oder eben der Brüderlichkeit bzw. Geschwisterlichkeit, wie es in der Französischen Revolution für die Ökonomie heißt!?

Als Ursache für die Schieflage wird zu Recht das Fehlverhalten der höheren Ebenen in unserem föderalen Staatsaufbau genannt. Aber ausgeblendet werden die Fehler, die sich Kerpen und seine maßgebenden politischen Kräfte in der Vergangenheit haben zuschulden kommen lassen. U.E. stehen die Befürworter des Haushaltsplanentwurfs wie auch die Verwaltung in der Pflicht, die Bürger:innen über die Gründe, die zur finanziellen Schieflage unserer Kommune geführt haben, umfassend aufzuklären, um das Vertrauen in Politik und Verwaltung nicht zu verspielen.

Diese anzuprangern und deswegen den Haushalt abzulehnen wird fälschlicherweise, weil wohlfeil, als populistisch bezeichnet. Vielmehr ist im Umkehrschluss eine Haltung, die Gegebenheiten zu akzeptieren und Kollateralschäden, wie die Armutsgefährdung von Menschen, in Kauf zu nehmen wegen fehlender finanzieller Mittel tatsächlich korrumpierte Politik, nämlich Bürokratie, Technokratie und entspricht damit dem, was genannt wird: Verwaltungsstaat.

Ich muss mich wundern, dass sowohl bei den Wahlen zum Bundestag, zum Landestag und vor allem zu unserem Kommunalparlament diese Parteien immer noch so große Zustimmung finden konnten und können. Wobei die autoritären Alternativen in Deutschland, die sich nun breit machen und mit ihrem extrem neoliberalen Programm die bestehenden desolaten Verhältnisse noch mehr forcieren würden, kämen sie an die Regierung - vgl. Argentinien, um nur ein Beispiel zu nennen -, trotz dessen selbst bei den Nicht-Vermögenden Anklang finden.

Schade für unsere Demokratie! Denn sie kann nur gesund sein, wenn ihre Basis - die Kommunen - gesund sind! Und das Vertrauen der Bürger:innen droht verloren zu gehen, wenn ihre Kommune nicht mehr handlungsfähig ist und mit diesem schwindet dann auch das Vertrauen in die Demokratie![1]

 


[1] Vgl. Gold, R., Lehr, J. 2024, Paying off Populism: How regional Policies affect Voting Behaviour, Kiel Working Papers 2266