Stellungnahme der Linksfraktion zur Verabschiedung des Haushalts 2021/22

Annetta Ristow

Nach wie vor befindet sich Kerpen in desolater Haushaltslage. Mit den Sparmaßnahmen allein ist es nicht getan, damit Kerpen am Ende des Haushaltssicherungskonzepts 2025 einen ausgeglichenen Haushalt erreichen kann: u.a. die enormen Abschreibungen und Kreditzinsen für die anstehenden geplanten Schulneubauten werden jegliche Sparbemühungen konterkarieren und die finanziellen Auswirkungen infolge der Pandemie konnten bislang nur ansatzweise in den Blick kommen.

Trotz dieser Situation wird weiter aus dem Vollen gewirtschaftet, wenn es um Inanspruchnahme externer Beratungsleistungen geht, zuletzt für die Machbarkeitsstudien Feuer- und Rettungswache sowie Baubetriebshof. Sie produzieren Zusatzkosten – externe Vergaben sind wegen anfallender Gewinnmargen und Umsatzsteuer um ein Drittel teurer als die Aufgabenwahrnehmung mit eigenem Personal.

Außerdem hat die Linksfraktion den Eindruck, dass der Bürgermeister, der „Verwaltung kann“, ebenfalls keine Ausgaben scheut, um konservative Verhältnisse in der Verwaltung zu verfestigen – selbst wenn dies enorme und vermeidbare Anwalts- und Gerichtskosten sowie eine Schwächung der Einsatzfähigkeit der Verwaltung riskiert, wie bei der Neubesetzung der Stelle der/s 1. Beigeordneten. Auch die Besetzung der Stelle der/s Technischen Beigeordneten passte offensichtlich nicht mehr und sollte ohne Angaben von Gründen geändert werden. Angesichts der Kompetenz und des Ansehens des Stelleninhabers und der derzeitigen Situation nicht nachvollziehbar. Da dies nicht so wie geplant geklappt hat, wird nun ein neues Dezernat geschaffen – mit Übertragung des wichtigen Aufgabenbereichs Strukturwandel des Dezernats III. Wir finden: Dies produziert nicht nur 20.000 € Mehrkosten im Jahr, sondern entspricht nicht den Grundsätzen einer effektiven Verwaltungsstruktur. Denn dies ist in der Tat angesichts unserer Haushaltslage das falsche Signal in Richtung Aufsichtsbehörde und Bürgerschaft!

Die massive Anhebung der Grundsteuer B auf nunmehr über 1200 Punkte in 2025 bleibt daher für die Verwaltung und die Ratsmehrheit weiterhin fest eingeplant und unvermeidlich, um die Handlungsfähigkeit der Kommune erhalten zu können.

Für uns ist die Erhöhung der Grundsteuer B nicht das Mittel erster Wahl zur Haushaltskonsolidierung. Sie wurde gegen unseren Willen von 480 Punkten in 2014 schrittweise erhöht auf 620 Punkte in 2019/20 und wird nun auf 720 Punkte in 2022 angehoben. Denn die Erhöhung betrifft nicht nur die Vermögenden und Reichen. Sie ist auch wirksam für die Besitzer:innen von kleinen Einfamilienhäusern mit durchschnittlichem oder geringem Einkommen und für alle Mieter:innen. Da die Vermieter:innen von Wohnungen die eingeforderte Erhöhung der Grundsteuer B in vollem Umfang als umlagefähige Betriebskosten an ihre Mieter:innen via Nebenkosten zur Miete weiterreichen können, verteuert sich das Wohnen in Kerpen für alle, die auf die Anmietung von Wohnraum angewiesen sind, insbesondere sind kinderreiche Familien und Geringverdiener:innen davon betroffen. Denn die Grundsteuer B ist nicht sozial, sie differenziert nicht nach der finanziellen Leistungsfähigkeit der Betroffenen. Besteuert wird nach der Größe der genutzten Wohnfläche. Kinderreiche Familien sind aber auf größere Wohnungen angewiesen. Sie haben nun einen unverhältnismäßig höheren Anteil an der Grundsteuer über die Mietnebenkosten zu tragen. Auch für Geringverdiener:innen wird es schwieriger, die Kosten für das Wohnen überhaupt aufzubringen.

Wir lehnen daher den Haushaltsentwurf 2021/2022 ab.

Wir sind der Meinung: Eine wirksame und sozial gerechte Haushaltskonsolidierung gelingt nur mit Stärkung der Einnahmen durch kluge Investitionen in die Zukunft unserer Stadt. Hierzu haben wir seit 2014 immer wieder Vorschläge gemacht, die leider nur zögerlich und verspätet oder aus unserer Sicht schlecht beraten oder gar nicht umgesetzt werden:

  • Gründung einer kommunalen Bau- und Planungsgesellschaft,
  • mehr Personal für das Fördermittelmanagement,
  • aktive Bodenmanagementpolitik,
  • Vergabe von städtischen Grundstücken nach Erbbaurecht über die Stadttochter GEV.

Wichtige Zeit wurde vertan, um die finanzielle Lage der Stadt schon in der Vergangenheit zu verbessern.

Zum Thema Vergabe nach Erbbaurecht: Die bislang in Kerpen üblichen Portfolioverkäufe von städtischen Grundstücken sind keinesfalls alternativlos in Zeiten klammer Kassen und das schlechtere Mittel. Die Bildung von stillen Grundstücksreserven mittels Erbbaurecht bildet dabei nicht den einzigen Vorteil. Über die per Erbbauvertrag möglichen Festsetzungen besitzt die Stadt auch ein zusätzliches machtvolles Steuerungsmittel für die Schaffung angemessenen und bezahlbaren Wohnraums für alle Bevölkerungsteile.

Wir sehen überall in Kerpen leerstehende Geschäfte. Das bedeutet: fehlende Gewerbesteuereinnahmen. Wir haben den Eindruck, dass immer wieder Logistikbetriebe in Kerpen angesiedelt werden: Das bedeutet schlecht bezahlte Arbeitsplätze, großer Flächenverbrauch, viel LKW-Verkehr, Lärm- und Abgas-Emissionen.

All das ist wenig kreativ. Wir hatten uns für die Ansiedlung von zukunftsweisenden Projekten in Kerpen immer wieder stark gemacht:

  • Ansiedlung Zweitwerk der Streetscooter GmbH,
  • von Start-ups in Horrem,
  • Kerpen als Hochschulstandort für die TH Köln

Leider ohne Erfolg. Hier ist, auch wegen des anstehenden Strukturwandels zukünftig mehr Engagement und Professionalität von der Kerpener Wirtschaftsförderung angesagt. Mut und Perspektiven fehlen der konservativen Mehrheit im Rat aus unserer Sicht auch bei den notwendigen Entscheidungen zum Klimawandel, der Digitalisierung oder bei den ausstehenden Investitionen in unsere soziale Infrastruktur. Die sozialen Verwerfungen infolge der Pandemie zu bekämpfen kommt nun als neue Aufgabe hinzu.

Erfreulicherweise tut sich etwas beim sozialen Wohnungsbau. Die von uns seit 2017 immer wieder geforderte und zuletzt in 2018 auf der Basis des Handlungskonzepts Wohnen von uns mit exakt 38% berechnete stadtweite feste Quote für den sozialen Wohnungsbau wurde heute endlich in unserem Sinne vom Rat mit breiter Mehrheit beschlossen. Dies rechnen wir uns als unseren Erfolg an. Ohne diese Quote würde der Wohnungsmarkt für preiswerten Wohnraum in Kerpen sonst weiterhin ungehindert schrumpfen.

Denn sozialer Wohnungsbau ist auch ein Mittel, um der beschämenden Kinderarmut in Kerpen seitens der Kommune selbst entgegenzutreten. Denn ein Grund für die prekäre Situation ist auch die sogenannte Wohnkostenlücke: Vom Jobcenter werden nur die angemessenen Wohnkosten ersetzt. Ein Umzug in eine preiswertere Wohnung ist aber nicht möglich, weil Wohnraum fehlt. Die Betroffenen, meist Alleinerziehende mit Kind, sparen sich das fehlende Geld dann meist vom Mund ab. Durchschnittlich 86 € monatlich, wie die Bundesregierung aufgrund einer Anfrage der LINKEN mitteilt. Hier bringt den Betroffenen dann das Vorhandensein von preiswertem Wohnraum eine wichtige Entlastung. Und schließlich: Kinder sind keine kleinen Arbeitslosen! Daher werden wir auch in Zukunft mit besonderem Augenmerk auf die Umsetzung der beschlossenen Quote achten.

Die Linksfraktion ist der festen Überzeugung, dass die Stadt einen wichtigen eigenen Beitrag dazu leisten kann, einen Weg aus der finanziellen Misere zu finden. Nicht mit ideenlosem Sparen, Kürzen, Privatisieren, Erhöhungen kommunaler Steuern, Gebühren und Abgaben, sondern mit klugen Investitionen in die Zukunft unserer Stadt, die Gewinne für die Stadt abwerfen, zum Wohle aller Einwohner:innen.

Politik heißt für uns nicht, mit einer Mehrheit im Rat seine partikularen Interessen durchzusetzen und sie dann zu verwalten und im Übrigen die Ungleichverteilung gesellschaftlicher Ressourcen und ihre Folgen zu ignorieren oder nur unzureichend anzugehen. Vielmehr geht es in der Politik nur um eins: Ein gutes Leben für alle zu ermöglichen – auch hier in Kerpen!