Haushaltsrede Linksfraktion Kerpen 2023/24

Annetta Ristow / Jürgen Greggersen

Wie in den Jahren zuvor, befindet sich die Stadt Kerpen immer noch in einer schwierigen Haushaltslage. Und wie ebenfalls schon seit Jahren sucht man die Lösung der Probleme in Sparmaßnahmen und Veräußerungen städtischen Eigentums. Doch wenn man den Prognosen des aktuellen Haushaltsentwurfs für die Jahre 2023 und 2024 Glauben schenken darf, tut sich ein Lichtschein am Ende eines langen, dunklen Tunnels auf. So äußerte sich der Kämmerer in einer vorsichtigen Einschätzung, dass ein Auslauf des Haushaltssicherungskonzeptes mit einem ausgeglichenen Haushalt bereits im nächsten Jahr die finsteren Jahre erhellen könne. Jedoch wird die Freude darüber wohl leider nicht von langer Dauer sein, denn alleine die enormen Abschreibungen und die Kreditzinsen für die anstehenden Schulneubauten und Erweiterungen werden umgehend die Sparbemühungen zunichtemachen. Dabei sind die unwägbaren finanziellen Folgen, die auf die städtische Kasse infolge des Ukraine-Krieges und der steigenden Energiekosten in den nächsten Jahren zukommen, noch kaum einzuschätzen. Das heißt, sobald es aus der Haushaltssicherung hinaus geht, geht es auch wieder hinein.

In Anbetracht der Prognosen erscheinen die immer gleichen Maßnahmen zur Beseitigung der schwierigen Haushaltslage der Kolpingstadt Kerpen konzept- wie auch fantasielos.

Einerseits ist der Plan, durch eine Reformierung der Verwaltungsstruktur die Kosten des Haushaltes zu senken, nicht nur kläglich gescheitert, sondern dermaßen „verschlimmbessert“ worden, dass die Verwaltung offensichtlich kurz vor dem absoluten Zusammenbruch steht. Und somit hätte man auch auf die teure Expertise der Unternehmensberatung „Rödel und Partner“ dankend verzichten können. Denn das Resultat, die Arbeit der Verwaltung effektiver zu gestalten, was nichts anderes heißt, als das Arbeitspensum zu verdichten, war, wie die Linksfraktion von Anfang an immer wieder betonte, zum Scheitern verurteilt.

Als Außenstehende bekommt man mittlerweile den Eindruck, dass die Stadtverwaltung mehr vakante als besetzte Stellen zu verzeichnen hat. So müssen die Kerpener Bürgerinnen und Bürger mittlerweile monatelang auf einen Termin beim Standesamt warten. Die ersehnte Hochzeit auf einen unbestimmten Zeitpunkt zu verschieben, mag für die Eine oder den Anderen durchaus dramatische Ausmaße annehmen, weitaus dramatischer wird es dagegen, wenn aus Personalnot der Stadt zustehende Fördergelder nicht beantragt werden können. Dies ist ganz besonders traurig, wenn es sich dabei um Mittel von über 128 000 Euro für die Förderung von Schulkindern handelt, um Lernrückstände aus der Zeit der Corona-Pandemie aufzuholen.

Dass nunmehr in letzter Minute überraschend doch zahlreiche neue Stellen in der Verwaltung im Rahmen der Haushalts 2023/24 ausgewiesen und geschaffen werden sollen, um den auch von uns immer beklagten Missständen beizukommen, findet natürlich unsere Zustimmung.

Auch der Versuch, den Haushalt über die Vermarktung städtischer Liegenschaften zu konsolidieren, führt zwangsläufig in eine Sackgasse. Die alte Volksweisheit: „Was weg ist, ist weg“, scheint in vielen Köpfen der Verwaltung, aber auch des Stadtrates noch nicht angekommen zu sein. Wesentlich sinnvoller als der Verkauf städtischer Grundstücke ist es nach unserer Auffassung, nachhaltige Erträge aus den entsprechenden Grundstücken und Immobilien zu generieren, indem man diese nicht einmalig veräußert, sondern langfristig über die stadteigene Grundstücksentwicklungs- und –verwertungsgesellschaft (GEV) verpachtet bzw. vermietet. Auch in dieser Frage pocht die Fraktion der Linken schon lange darauf, städtische Grundstücke nur noch in Erbpacht zu vergeben, was den weiteren Vorteil brächte, diese der Spekulation zu entziehen und vor immer weiter steigenden Preisen zu schützen. Darüber hinaus ließe sich ihre Vergabe ebenfalls sozial ausgewogen gestalten.

Dabei gibt es durchaus begrüßenswerte und interessante Initiativen wie zum Beispiel ein übergreifendes Gesamtkonzept für den Horremer Bahnhofsbereich, die sogenannte „Bahnstadt Horrem“. Ein Projekt, das sowohl attraktiv als auch lukrativ für die Stadt sein könnte. Doch auch dort versagt der Mut, etwas Neues zu wagen, und die Investoren warten schon darauf, sich die gewinnträchtigsten Grundstücke aneignen zu können.

Aber anstatt die Chance zu ergreifen, durch kluge und nachhaltige Investitionen und ein gezieltes Fördermanagement einen sowohl ausgeglichenen als auch sozial ausgewogenen Haushalt aufzustellen, folgt Jahr auf Jahr die scheinbar unvermeidliche Erhöhung der Grundsteuer B, um die Handlungsfähigkeit der Kommune aufrecht halten zu können. Belastet werden durch diese Steuer aber keineswegs diejenigen, die durch die Vermietung von Wohnraum ihre Gewinne erzielen, sondern Mieterinnen und Mieter, denen die Rechnung mit den jährlichen Nebenkosten präsentiert wird. Aber diese Mieterhöhung durch die Hintertür trifft genauso den Eigenheimbesitzer, der gehofft hat, durch den Erwerb oder Bau eines Häuschens der Spirale der ständig steigenden Mieterhöhungen zu entkommen. Dieser sozialen Ungerechtigkeit stellt sich die Fraktion der Linken vehement entgegen.

Somit lehnen wir zugleich auch den Haushaltsentwurf 2023 / 24 als völlig unakzeptabel ab.

Die Linksfraktion ist der festen Überzeugung, dass die Stadt einen wichtigen, aktiven Beitrag dazu leisten kann, einen Weg aus der finanziellen Misere zu finden. Nicht mit ideenlosem Sparen, Kürzen, Privatisieren, Erhöhen kommunaler Steuern, Gebühren und Abgaben, sondern mit klugen Investitionen in die Zukunft unserer Stadt, die Gewinne abwerfen, zum Wohle aller ihrer Einwohnerinnen und Einwohner.

Hierzu haben wir seit Jahren immer wieder konstruktive Vorschläge gemacht und unterstützt, deren Umsetzung leider abgelehnt oder nur zögerlich oder gar nicht erfolgte. Hierunter fallen:

  • Gründung einer kommunalen Bau- und Planungsgesellschaft
  • Mehr Personal für das Fördermittelmanagement
  • Aktive Bodenmanagementpolitik
  • Vergabe städtischer Grundstücke nach Erbbaurecht

Der seit langem zu beklagende Leerstand von Geschäften in den Innenstadtbereichen verlangt wesentlich mehr Engagement und Professionalität von der Kerpener Wirtschaftsförderung. Denn leer stehende Geschäfte bedeuten nicht nur fehlende Gewerbesteuereinnahmen, sondern auch eine soziale Verödung der Ortszentren.

Des Weiteren gilt es die beschämende Zunahme der Kinderarmut von über 20 Prozent energisch zu bekämpfen. Der soziale Wohnungsbau in kommunaler Hand ist ein probates Mittel dieser Misere entgegenzutreten. Zwar wurde auf die Initiative der Linksfraktion eine feste Quote von 38 Prozent zugunsten des sozialen Wohnungsbaus mit einer breiten Mehrheit des Stadtrates beschlossen, nur von dessen Umsetzung spürt man bislang so gut wie gar nichts.

Ebenfalls in letzter Minute vor der Verabschiedung des Haushalts wurde nun gemeinsam mit der SPD-Fraktion unser alter Antrag zum Start des sozialen Wohnungsbaus in kommunaler Hand erneut gestellt und mehrheitlich angenommen. Dies macht Hoffnung auf Möglichkeiten für weitere zukünftige positive Entwicklungen in dem Bereich.

Auf dem Bedürfnis der Menschen nach einer allgemeinen Daseinsvorsorge beruht das Konzept des sozialen Gemeinwesens. Je weiter wir uns von seinen Grundlagen entfernen, desto mehr verliert das Gemeinwesen an Zustimmung und Zusammenhalt. Insofern sollte die öffentliche Daseinsvorsorge nicht zum Objekt der Gewinnorientierung gemacht und nicht dem Wettbewerb des sogenannten „freien Marktes“ ausgesetzt werden.

Zum Wohle der Allgemeinheit lautet daher eine der vorrangigen Forderung der Partei Die Linke: Öffentliche Angelegenheiten gehören in öffentlich Hände! Das heißt in unserem Fall, in die Hände der Stadt Kerpen.

Dies ist die Prämisse, an die sich unter anderem der städtische Haushalt zu orientieren hat.